Zur Christmette ging es an Heiligabend – nicht wie gewohnt – durchs Hauptportal in die Kirche. Die Besucher wurden mit einem Hinweisschild („Zur Krippe“) und Windlichtern in die Kapelle geführt, in der eine Krippe aufgebaut war. Danach konnten sie von der Kapelle aus den Kirchenraum betreten.
Die Krippe besteht aus fünf Pappmascheefiguren: Maria, Joseph und drei Sterndeutern. Das Jesuskind wurde aus Gips hergestellt. Die Figuren hat Michaela Häuser aus Freimersheim zur Verfügung gestellt. Fotos von Anja Krollmann
Wie in ev. Kirche oft zu sehen, hängt in Wahlheim das Kreuz über dem Altar, bildet mit ihm gemeinsam das Zentrum. In der Liedpredigt „Ich steh an deiner Krippen hier“ wies Pfarrerin Anja Krollmann auf die Verbindung zwischen Krippe und Kreuz hin: Aus dem Kind wird ein Mann. Schon in der Krippe lernt es Sehnsucht nach Liebe und Hunger kennen. Auch am Kreuz ist Gott uns nahe. In Jesus Christus kommt Gott selbst zur Welt, wird Mensch, damit er die Grausamkeit der Welt am eigenen Leib erfährt, so lernt er Leiden und Tod selbst kennen. Im Kreuz solidarisiert Gott sich mit uns, zieht uns zu sich, hebt uns mit sich auf eine Stufe.
„Gott wird Mensch, dir Mensch zu gute, Gottes Kind, das verbindt, sich mit unserem Blute.“ So heißt es in einem anderen Lied des ev. Pfarrers und Dichters Paul Gerhardt. 1618 in Gräfenhainichen geboren, prägte ihn vor allem der 30-jährige Krieg. Mit 14 Jahren war er Vollwaise, seine Eltern verlor er im Krieg. In sächsischen Grimma besuchte er die Fürstenschule. Dort lernte er, in Musik und Religion Hoffnung und Freude zu finden. Eine andere Welt tat sich ihm auf.
Foto: Maria und Kind strecken einander die Arme zu. Von ihr bekommt er Liebe und Wärme.
So kann Paul Gerhardt angesichts des Todes, in der Dunkelheit der Welt vom Licht Gottes singen. Die Sonne ist das stärkste Bild für Gott. In zahlreichen Liedern Gerhardts wird sie von ihm besungen. Als Quelle des Lebens bringt Gott Licht und Wachstum, Glauben und Freude in die von Leiden und Tod bestimmte Welt. Menschen werden vom Glauben erleuchtet, freuen sich über die Natur. In dem Lied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ jubelt der Dichter laut über Gottes gute Schöpfung. Gott als Sonne des Lebens. Auch in der dunkelsten Nacht bricht ihr Licht hervor. Am Beginn des Ostermorgens leuchtet Gottes Licht in ein leeres Grab, überwindet Christus den Tod als Sieger. Im Licht der Sonne blühen Blumen wieder auf, erwacht die schlafende Natur. Menschen, Tiere Pflanzen wenden ihr Gesicht der Sonne zu, richten sich auf, können wieder aufatmen. Licht ist über dem Stall von Bethlehem, der Stern leuchtet, zeigt Menschen den Weg.
Licht erhellt den Ostermorgen, überwindet das Dunkel des Todes, strahlt in die Finsternis dieser Welt. Durch Gott wird auch die Dunkelheit in uns hell. Menschen finden zu Gott, Sterndeuter kommen zu Jesus, um anzubeten, so erzählt es der Evangelist Matthäus im 2. Kapitel.
Vielleicht haben wir schon mal einem Säugling beim Schlafen zugesehen: Friedlich liegt er in seinem Bett, wohlig und still. Er weiß noch nichts vom Tod in der Welt. Manches wird ihm erspart bleiben, anderes wird er durchleben. Geschlossene Augen, kleiner Mund, winzige Finger. Ein weiter Weg liegt vor ihm.
Auch Sterndeuter ziehen zum Kind, um ihm ihre Geschenke zu bringen. Der Evangelist Matthäus erzählt, dass sie einem Stern gefolgt sind. Der Stern führte sie nach Bethlehem. Sie wollen dem neugeborenen König Geschenke bringen. Wie für einen König angemessen schenken sie ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Vielleicht würden auch wir gern wieder Kind sein, noch mal von vorne beginnen, wenn uns jemand die Chance dazu gibt. Noch mal ganz am Anfang des Lebens stehen wie ein neugeborenes Kind. Oder auch nicht.
Vielleicht ist es ganz gut, dass manche Wegstrecke hinter uns liegt, dass wir Schwieriges überstanden haben: eine Krankheit, einen Abschied, eine Enttäuschung. Manches lassen wir gerne hinter uns. Anderes das, wir erleben, macht uns reicher, reich an Erfahrung, an Wissen, an Weisheit. Was wir erlebt haben, hat uns geprägt, und es verändert uns. Jedes Jahr, wenn wir unterwegs sind zur Krippe, kommen wir etwas anders dort an, sind wir nicht mehr dieselben wie früher. Jedes Jahr sind wir etwas verändert – mit neuen Erfahrungen, Begegnungen, neuen Erwartungen im Gepäck.
Und doch: Auch beim nächsten Mal werden wir wieder an der Krippe stehen und staunen, uns in Bann ziehen lassen und freuen über das neugeborene Kind. Welch eine Macht, welch eine Kraft geht von diesem Kind aus. Was für eine Anziehung muss es haben, dass Sterndeuter und Könige sich zu ihm aufmachen. In dem Lied „Ich steh an deiner Krippen hier“ stehen wir gemeinsam mit Hirten und Weisen bei Jesus.
Welch eine Liebe muss in so einem Herzen schlagen. Liebe, die den Tod überwindet. Liebe, die zu uns hält. Am Kreuz gibt Gott sich selbst aus Liebe zu uns Menschen, da leidet er an der Grausamkeit und Hartherzigkeit dieser Welt, an Fehler und Schuld, die wir in uns tragen. Doch seine Liebe überwindet – auch wo wir versagt haben und gefehlt. In Barmherzigkeit nimmt Gott uns an. Schuldbeladen stehen wir an der Krippe, und hören, wie dieses Kind zu uns spricht: „Ich bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden. Was trauerst du, o Bruder – o Schwester – mein? Du sollst ja guter Dinge sein. Ich zahle deine Schulden.“ (EG 37,5)
Was sollen wir auf diese Liebe antworten? Was können wir dieser Liebe Größeres schenken als uns? Darum antwortet der Gläubige am Ende des Liedes mit Paul Gerhardt: „So lass mich doch dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei mir ein dich und all deine Freuden.“ Das Kostbarste, das wir Gott zu geben haben, sind wir selbst – all unsere Fähigkeiten, unsere Kraft, unser Leben.
Es war ein langer Weg bis Weihnachten und schon sind wir nicht mehr hier, wir sind längst weitergegangen. Der Weg hat uns von der Krippe weggeführt. Wir sind wieder in unseren Alltag gegangen. Wir haben es gemacht wie die Hirten im Lukasevangelium: Die gehen wieder zu ihren Herden. Auch die Sterndeuter ziehen wieder zurück in ihr Land. Doch wir sind nicht mehr dieselben wie früher. Das Kind hat uns verwandelt. Wir sind Menschen der Weihnacht geworden, mit dem Licht der Liebe Gottes in uns, dem Leuchten des Sterns von Bethlehem in unserem Rücken. So sind wir weggezogen vom neugeborenen Kind, damit wir mit ihm wachsen können und groß werden. Aus dem Kind wird ein Mann. Sein Weg führt von der Krippe zum Kreuz bis in den Ostermorgen.
Nehmen wir sein Licht und tragen es weiter. Tragen wir es zu denen, die im Dunkel sind, die keine Hoffnung haben, die alt sind oder krank, arm oder einsam, zu denen, die hungern und frieren, zu denen, die leiden oder sterben. Bringen wir ihnen sein Licht: Gottes Liebe – durch uns selbst. Zeugen wir von Gott mit unserem Leben. Lassen wir sein Licht in uns leuchten und durch uns in die Welt. Auf dass wir trösten und helfen, lieben und heilen, weil wir von Gott verwandelte Menschen sind – Menschen der Weihnacht. So können wir Krippe sein, ein Ort, in dem Gott einzieht. Wo Gott sich aufhält und will-kommen weiß, da ist Gottes Tempel. So können wir Gott ein Zuhause sein. Zugleich aber geht sein Weg mit uns weiter, führt er uns auf Ostern zu. A. K.