Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
der Text der Predigt
steht im 2. Brief des Apostels Paulus
an die Christen in Korinth, Kap. 9,
und heute Morgen schreibt der Apostel
diese Zeilen an uns:
Sämann bei untergehender Sonne", Vincent van Gogh
„Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen,
der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.
Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht: »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben
und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte
eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein
in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt,
die durch uns wirkt Danksagung an Gott.
Denn der Dienst dieser Sammlung hilft
nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwenglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwenglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank
für seine unaussprechliche Gabe!“
Gott, segne an uns dein Wort.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
um den Predigttext zu meditieren,
habe ich Ihnen heute ein Bild mitgebracht.
Dieses Bild ist der Ausschnitt eines Gemäldes.
Das Gemälde stammt von dem holländischen Maler Vincent van Gogh.
Ich möchte dieses Bild
gerne mit Ihnen gemeinsam betrachten.
Darauf zu erkennen ist ein Sämann.
Mit großen Schritten geht er über einen Acker.
Schwungvoll wirft er die Saat aus.
Die Körner trägt er vor sich in einem Beutel.
Wenn wir genau hinsehen,
erkennen wir dunkle Punkte um seine rechte Hand herum.
Die Punkte sind Samen,
die er gerade geworfen hat.
Offensichtlich bringt der Sämann seine Saat
großzügig aus.
Hinter ihm befindet sich ein Feld,
auf dem die Saat bereits aufgegangen ist,
reifes volles Korn, bereit zur Ernte.
Die Sonne steht goldgelb am Himmel,
wirft ihre Strahlen auf die Erde,
Leben spendend und warm.
Einige werden meinen,
dass gerade Morgen ist,
die Sonne steht nicht hoch am Himmel.
Das Bild aber trägt den Titel:
„Sämann bei untergehender Sonne“.
Den ganzen Tag über hat der Mann schon gearbeitet,
und sein Werk ist noch lange nicht zu Ende.
Die Arbeit geht weiter, wie das volle Korn zeigt.
Nun können wir dieses Bild auf das Jahresprojekt unseres Ev. Dekanats beziehen.
Das Motto dieses Projekts lautet
„Bei Wasser und Brot“.
Dieses Motto findet sich auch in diesem Bild wieder.
Das Brot ist leicht zu assoziieren,
dargestellt als Samen und Korn.
„Wasser“ ist auch zu erkennen:
Das Blau der Erde erinnert daran.
Der Boden ist vom Regen gut durchfeuchtet.
Die Körner fallen auf fruchtbares Land.
Sicher werden viele von ihnen aufgehen.
Ich kann mir vorstellen,
wie bald frisches Grün die Erde durchzieht.
Wasser, Sonne, Erde –
all das brauchen wir zum Leben.
Manchmal haben wir auch zu viel davon
und manchmal zu wenig,
wie der Regen der vergangenen Wochen zeigt.
Und doch: Sonne und Wasser kommen wieder.
Darauf ist Verlass.
Verlässlich ist auch der Sämann auf diesem Bild.
Er macht seine Arbeit.
Er sorgt dafür,
dass die Erde gut gelockert und frei von Unkraut ist,
dass die Saat auf gutes Land fallen kann.
Er kümmert sich, wenn sie aufgeht,
um seine Pflanzen,
er hegt und pflegt sie,
wird Schädlinge von ihnen entfernen,
er wird sie wässern und düngen, wo’s nötig ist,
er tut alles,
damit er auch eines Tages die Ernte einbringen kann.
Nun können wir versuchen,
dieses Bild auf unseren Bibeltext zu beziehen.
Und diesem Text zufolge ist der Sämann Gott selbst.
Gott sät aus, was wir zum Leben brauchen.
Nahrung und Kleidung, ein Zuhause, eine Heimat,
Arbeit und Freizeit,
Menschen, die mit uns leben, Tiere und Pflanzen, Erde, Wasser, Luft und Himmel,
die Sonne als Licht für den Tag,
Mond und Sterne als Lichter für die Nacht.
Wie oft oder wie selten
nehmen wir all das als Gottes Gaben wahr?
Martin Luther hat einmal gesagt:
„Und wenn wir Menschen nicht so blind und der Güter Gottes so überdrüssig und so unachtsam wären,
so wäre freilich kein Mensch auf Erden, er habe noch so viel Besitz: wenn’s zum Tausch kommen sollte,
so nähme er kein Kaisertum noch Königreich dafür, wenn er dafür -- der uns allen eigenen Güter
beraubt wäre. Denn was kann ein Königreich für ein Schatz sein im Vergleich zu einem gesunden Leibe? … Wenn die Sonne einen Tag nicht schiene,
wer wollte nicht lieber tot sein? Oder was hülfe ihm all sein Gut und Herrschaft? Was wäre aller Wein und Sekt in aller Welt, wenn wir einen Tag des Wassers
in aller Welt ermangeln sollten? Was wären
alle hübschen Schlösser, Häuser, Samt, Seide, Purpur, goldene Ketten und Edelsteine, alle Pracht, Schmuck und Hoffart, wenn wir ein Vaterunser lang die Luft entbehren sollten? – Solche Güter Gottes sind
die größten und zugleich die allerverachtesten und deshalb, weil sie allgemein sind, dankt niemand Gott dafür, sie nehmen sie und brauchen dieselben täglich immer so dahin, als müsste es so sein…;
fahren dieweil zu, haben was uns am Herzen liegt
zu tun, sorgen, hadern, streiten, ringen und wüten
um überflüssiges Geld und Gut, um Ehre und Wollust und in Summa um das, welches solchen oben genannten Gütern nicht das Wasser reichen könnte.“
Liebe Gottesdienstgemeinde,
diese Worte schrieb Martin Luther im Jahr 1530,
und sie sind noch immer aktuell.
Nur, dass sich die Gleichgültigkeit vieler Menschen
gegenüber der Natur,
gegenüber der Gaben Gottes noch gesteigert hat:
In den Industrieländern werden Wasser,
Erde und Luft verschmutzt und ausgebeutet.
Wegen dieser Unachtsamkeit hat die Natur bereits
einen nie wieder gut zu machenden Schaden bekommen,
und das, damit einige wenige
ihre egoistischen Bedürfnisse befriedigen können,
während andere hungern und dürsten,
nicht nur im ethischen Sinn nach Gerechtigkeit,
sondern ganz elementar nach Wasser und Brot.
Und ich fürchte, dass wir mit den Bedingungen,
unter denen wir in diesem Land leben,
auch zu den Menschen gehören,
die im Ganzen die Natur ausbeuten
und Ungerechtigkeit fördern gegenüber allen,
die nicht so viel haben wie wir,
dass auch durch uns Menschen, Tiere und Pflanzen unter den Folgen unseres Handelns
unschuldig mit zu leiden haben.
Wir sind alle mitschuldig am Schaden der Natur, allein durch unsere Lebensweise.
An Erntdank sollten wir daher nicht nur danken
für alles, was Gott gibt,
wir sollten Gott auch um Vergebung bitten,
weil auch wir unser Leben
auf dem Rücken der Umwelt
und zum Nachteil der ärmeren Länder auskosten,
anstatt für Gerechtigkeit zu sorgen,
die auch von Gott gefordert wird.
Und diese Gerechtigkeit bedeutet,
dass auch wir dazu bereit sind,
unseren Wohlstand mit anderen zu teilen,
damit alle in den Genuss der Güter der Erde kommen
und sie dasselbe Recht auf ein gutes Leben haben.
Dadurch aber,
dass wir oft nur den eigenen Vorteil suchen,
sorgen auch wir dafür,
dass Gerechtigkeit nicht geschieht,
dass Güter ungleich verteilt werden,
die Erde ausgebeutet, die Natur geschädigt wird.
So stehen auch wir – mit unserem Verhalten –
einer gerechten Welt Gottes im Weg.
Es gibt aber auch Menschen – auch hier,
die nehmen die Gefährdung der Natur,
die Ungerechtigkeit, die in dieser Welt geschieht, ernst,
die haben auch verstanden,
dass wir alle mit Verantwortung tragen für diese Welt
und für das Leben, das darin stattfindet,
diese Menschen wissen auch,
dass jeder von uns etwas dafür tun kann,
damit die Lebensbedingungen in dieser Welt
für alle Menschen,
auch für künftige Generationen besser werden.
Manche versuchen auf ihre Art, die Natur zu schützen.
Andere setzen sich für eine gerechtere Verteilung
der Ressourcen ein.
Ob aber dieser Samen aufgeht,
dazu brauchen wir Gottes Segen.
So sagt es der Bibeltext:
„Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch
reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit
volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk“.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
jetzt wird der ein oder die andere denken:
„Sollen wir also alles in Gottes Hand legen?
Was nützt es dann noch selbst aktiv zu wirken?“
Ich denke, dieser Text will uns nicht entmündigen,
im Gegenteil.
Einerseits will er uns entlasten. Er sagt:
Nicht alles Gelingen hängt von uns ab,
es kommt auf Gott an.
Andererseits erinnert uns der Text daran,
dass wir mit Verantwortung tragen.
Wir sollen handeln, aber zum Guten für alle.
Überfluss verpflichtet zum Teilen.
Teilen, liebe Gemeinde,
kann sehr unterschiedlich sein.
Es gibt Menschen, die mit Teilen Halbieren meinen.
Demnach müsste jeder von uns einem, der nichts hat, 50 % von unserem Besitz abgeben,
dann hätten beide dasselbe zu gleichen Teilen.
Solches Teilen können wir machen,
es kann aber auch eine Überforderung sein.
Viele meinen, wenn sie die Hälfte von allem abgeben,
dass das, was dann übrig bleibt,
nicht mehr für sie zum Leben reicht.
Existenzangst kann sehr blockierend sein.
Paulus weiß von dieser Angst, und er schreibt:
„Lasst uns einfältig großzügig sein!“
„Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot
zur Speise, der wird auch euch Samen geben
und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte
eurer Gerechtigkeit.“
Es kann aber auch sein, liebe Gemeinde,
dass das Gute manchmal ausbleibt,
wie so manche Missernte zeigt.
Manche Menschen reagieren auf diese Gefahr,
indem sie nur noch symbolisch teilen:
Die geben in eine Sammlung nie mehr als 50 Cent hinein.
50 Cent tun nicht weh.
Die nützen wenig, schaden aber auch keinem.
Spenden soll in der Tat nicht schmerzvoll sein.
Es geht nicht um eine Bußleistung oder Strafe,
Spenden sollte freiwillig sein, wie auch Paulus schreibt:
„Ein jeder gebe, wie er's sich im Herzen vor-genommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“
Gott sei Dank gibt es fröhliche Geber,
und manche von ihnen können sogar großzügig sein.
Einige möchten dabei anonym bleiben,
andere wurden ihrer Mildtätigkeit wegen berühmt.
Elisabeth von Thüringen fällt mir als Beispiel ein.
Vielleicht haben Sie schon mal von dieser Frau gehört.
Elisabeth, die Tochter eines ungarischen Königs,
lebte im 13. Jahrhundert
auf der Wartburg bei Eisenach.
Dort hat sie als Frau des Landgrafen von Hessen
Essen an Arme verteilt.
Für dieses Handeln
war sie bei ihren Verwandten nicht beliebt,
sie haben sie nach dem Tod ihres Mannes
von der Wartburg vertrieben.
Elisabeth ging nach Marburg.
Dort hat sie von ihrem Witwengeld
ein Hospital gegründet.
In ihm hat sie Sterbende und Kranke gepflegt.
Weil sie sich selbst für andere aufgeopfert hat,
hat sie nicht lange gelebt: Sie wurde 24 Jahre alt.
Im Religionsunterricht ist Elisabeth von Thüringen
ebenfalls Thema.
Und meine Schüler haben dazu
ihre ganz eigene Meinung gebildet.
Sie haben gesagt:
„Hätte Elisabeth besser auf sich aufgepasst,
hätte sie länger gelebt,
dann hätte sie noch vielen anderen helfen können.“
So weise können Kinder sein.
Verantwortlich mit Gütern umgehen,
auch mit der eigenen Kraft,
auch dazu lädt unser Bibeltext ein.
Für den Fall aber,
dass Güter nicht im Übermaß fließen,
ist ein ökonomisches Handeln sicher weise.
Gehen wir also sorgsam mit Gottes Gütern um,
damit sie auch unseren Mitmenschen
und späteren Generationen
für ein gutes Leben auf dieser Erde reichen.
Insofern sind auch wir mit dem Bild vom Sämann gemeint.
Gottes Samen wirkt auch durch uns
auf dieser Erde weiter.
Auch wir können Sämänner und -frauen sein.
Auch wir sind aufgefordert, Gutes zu tun,
die Güter dieser Erde zu teilen.
Ein Sämann behält ja nicht alles für sich,
er hortet nicht alles in seiner Scheune.
Was in der Scheune bleibt, wird niemals aufgehen.
Er muss einen Teil der Körner auswerfen,
damit sie gute Frucht treiben,
auch wenn er eines Tages seine Ernte
selbst nicht mehr einbringen kann.
Ein guter Sämann denkt über den eigenen Vorteil,
über das eigene Leben hinaus weiter.
So bezieht sich das Bild von Vincent van Gogh
auf uns.
Wo wir säen,
weitergeben von dem, was Gott uns schenkt,
indem wir Gutes tun und teilen,
sind wir mit Gott in einer Gemeinschaft
und solidarisch mit der ganzen Menschheit,
so sind wir Empfangende und Geber zugleich.
Ich erinnere mich an eine Mitschülerin, die hat,
wann immer sie etwas zu essen bekam,
ihre Armen darum getan,
vermutlich, weil sie Angst davor hatte,
es mit anderen zu teilen.
Diese Mitschülerin kam nicht aus einem armen Haus,
sie war es gewohnt, Besitz zu schaffen,
einzugrenzen und zu verteidigen.
Zum Teilen war sie selten bereit.
Machen wir es nicht wie diese Mitschülerin!
Machen wir unsere Arme weit!
Geben wir das Gute, das Gott schenkt, weiter!
Lasst uns großzügig sein,
damit alle Menschen sich über Gott freuen
und Gott – auch durch uns – Menschen erreicht,
damit wir in einer Gemeinschaft mit Gott sind
und alle einen Grund haben, Erntedank zu feiern,
auch damit das Gute dieser Welt für alle Menschen
und auch für künftige Generationen reicht:
„Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwenglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank
für seine unaussprechliche Gabe!“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. A.