Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe GD-Gemeinde,
Sehen kann faszinierend sein.
Der Hochwassertourismus der letzten Wochen hat das gezeigt.
Da sind Menschen an Rhein und Mosel gefahren,
um ganz nah am Hochwasser dabei zu sein,
vielleicht auch, weil Katastrophen ihren Reiz haben:
das schaurige und doch zufriedene Wahrnehmen,
dass das Unglück nicht einen selbst,
sondern andere getroffen hat,
worüber Schadenfreude entstehen kann.
Vielleicht wollten einige auch nur
der Gewalt der Natur ins Gesicht schauen,
sehen und gewiss sein,
dass Menschen nicht alles
und jede Naturerscheinung im Griff haben.
Was wir sehen, kann faszinierend sein.
Ums Sehen geht es auch in dem Bibeltext,
über den ich predigen werde.
Er steht im 2. Mose 33,17b-23. Da heißt es:
Da sagt Gott zu Mose: „… du hast Gnade
vor meinen Augen gefunden,
und ich kenne dich mit Namen.“ Und Mose sprach:
„Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“
Und er sprach: „Ich will vor deinem Angesicht
all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN:
Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig,
und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“ Und er sprach weiter: „Mein Angesicht
kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ Und Gott sprach weiter: „Siehe,
es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin.
Dann will ich meine Hand von dir tun,
und du darfst hinter mir her sehen;
aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“
Gott, segne an uns dein Wort.
Liebe GD-Gemeinde,
Sehen kann nicht nur faszinierend sein,
es kann auch bereichern:
bereichern an Eindrücken, Erfahrungen,
an Wissen und Verstehen.
Sehen kann gewiss machen.
Wer Beweise sieht, fühlt sich sicherer als ohne.
Der Jünger Thomas zum Beispiel
wollte als Beweis für die Osterbotschaft
den auferstandenen Jesus sehen,
sonst hätte er der Osterbotschaft nicht geglaubt.
Mose will Gott sehen.
Endlich gewiss sein,
was das für eine Macht ist, die über uns steht.
Ich glaube, diese Sehnsucht, Gott sehen zu wollen, kennen viele:
Gott ansehen,
schauen, wie Gott ist und ob überhaupt.
Diesen Wunsch, endlich gewiss zu sein,
den hatten auch die Israeliten.
Nach ihrer Flucht aus Ägypten,
aus ihrem Sklavendasein,
sind sie durch die Wüste gegangen;
die Bibel nennt 40 Jahre,
40, das ist das Synonym für eine lange Zeit.
Und die Bibel erzählt:
Gott stand den Israeliten
auf ihrem Weg durch die Wüste zur Seite,
ging ihnen voraus, hat sie geleitet:
am Tag in einer Wolkensäule,
um ihnen den Weg zu zeigen,
nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten.
Gott war ihnen nahe, sichtbar da.
Und doch: Gottes Angesicht haben sie nicht geschaut.
Wer kann schon durch eine Wolke hindurchschauen
oder durch ein Feuer?
Gott war ihnen verborgen und doch nah,
geheimnisvoll und dennoch Wegweiser.
Mose hatte Gott so schon einmal erlebt.
Das war, als Gott aus einem brennenden Dornbusch zu ihm gesprochen hat,
ihn mit der Befreiung und Führung seines Volkes
aus Ägypten beauftragt hatte.
Da gab es ein Feuer, eine Stimme.
Gott selbst aber blieb unsichtbar.
Immer nur vertrauen, ohne gewiss zu sein,
ohne Gott zu schauen, das ist schwer.
Dem Volk Israel hat Gott in Feuer und Wolke
irgendwann nicht mehr gereicht,
sie wollten mehr sehen, etwas Handfestes anbeten,
einen Gott, der ihnen fühlbar nahe ist,
der sich berühren und anschauen lässt.
So haben sie sich ein Bild geschaffen:
ein goldenes Kalb.
Die meisten kennen die Geschichte.
Für die, die sie nicht kennen, möchte ich sie erzählen:
Die Israeliten sind nach ihrer Flucht aus Ägypten
durch die Wüste gezogen.
Dann kamen sie an einen Berg.
Auf diesen Berg ist Mose gestiegen,
um mit Gott allein zu reden.
Das Ergebnis dieses Gesprächs waren die 10 Gebote.
Aber von denen haben die Israeliten
zu dieser Zeit noch nichts geahnt.
Zunächst haben sie geduldig auf Mose gewartet.
Die Alten haben sich ausgeruht
im Schatten ihrer Zelte,
die Kinder haben miteinander gespielt,
Männer haben kaputte Sandelen ausgebessert,
Mütter ihre Säuglinge gewiegt.
Jugendliche saßen beisammen,
ließen den Sand durch die Finger rieseln,
kickten Steinchen weg,
einige von ihnen haben genörgelt,
dass ihnen langweilig ist.
Stunden vergingen, ohne dass was geschah,
dann wurden daraus Tage.
Den Israeliten wurde die Zeit zu lang.
Sie waren unzufrieden mit ihrer Situation,
fühlten sich von Gott verlassen.
Ihr Anführer Mose war auch nicht mehr da,
also fingen sie an, sich Gedanken zu machen.
Und nicht immer ist das Ergebnis solcher Gedanken gut:
Die Israeliten machten sich das goldene Kalb.
Die Frauen zogen ihren Schmuck aus,
taten alles Gold in einen Topf,
hängten den Topf übers Feuer
und schmolzen das edle Metall ein.
Während das Gold zerfloss,
haben sie aus Lehm eine Form gebastelt.
In diese Form gossen sie das Geschmolzene hinein.
Dann sind sie ums goldene Kalb getanzt,
haben es verehrt und ihm geopfert wie einem Gott.
Genau in diesem Moment, stieg Mose vom Berg.
Und was er sah, erzürnte ihn schon von weitem.
Das Volk tanzte um einen Götzen,
um ihren selbst gemachten Gott.
Vor Wut zerschlug er die 10 Gebote.
Dann hat er das goldene Kalb zu Pulver zerrieben,
mischte es in Wasser
und gab es den Israeliten zu trinken.
Auch Gott war wütend. Er sagt:
„Mose, geh du mit Israel ins gelobte Land,
wie ich es euch versprochen.
Ich aber werde Israel nicht mehr anführen.“
Als Mose das hört, ist er außer sich.
Nicht mehr vor Wut, sondern vor Sorgen.
Er bittet und fleht zu Gott:
„Vergib ihnen doch ihre Sünde. Töte mich,
lösch mich aus dem Buch des Lebens aus.“
Aber Gott sagt:
„Wer nicht gesündigt hat,
der soll auch nicht bestraft werden.“
Doch er macht Mose ein Zugeständnis.
Gott sagt: „Ein Engel wird euch führen.“
Seit diesem Tag – so erzählt die Bibel –
ist Gott nie mehr selbst bei Israel gewesen,
er schickte Mittler zu ihm: Engel, Propheten, Priester,
aber nie mehr Gott selbst,
weder in einer Wolke noch im Feuer.
So sehr hatte Israel sich von Gott entfernt.
Und so sehr hat Gott seinem Volk gezürnt
wegen dessen Sünde.
Wir können uns Moses Verzweiflung
nicht tief genug vorstellen.
Mose ist am Tiefpunkt seines Lebens.
Er, der so sehr für sein Volk gekämpft hat:
Damals – zusammen mit seinem Bruder Aaron –
was er da gewagt und wie viel er riskiert hat,
bis der Pharao endlich davon überzeugt war,
Israel aus Ägypten ausreisen zu lassen.
Dann, auf dem Weg durch die Wüste,
was er da alles für Israel getan,
und wie sehr Gott ihn dabei unterstützt hat:
Wenn sie Hunger hatten,
gab Gott ihnen Wachteln und Manna zu essen.
Wenn sie durstig waren,
sprudelte plötzlich Wasser aus einem Felsen.
Und jetzt – mit einem Mal – steht Mose allein da.
Kein Gott mehr, der ihnen vorausgeht.
Kein Gott mehr, der ihnen hilft,
wenn Mose ihn darum bittet.
Weil Gott ihn nicht sterben lässt,
an seinem Versprechen aber,
Israel ins gelobte Land zu führen,
dennoch festhält, will Mose Gott sehen.
Er braucht einen Motivationsschub.
„Lass mich deine Herrlichkeit schauen!“, sagt er.
Im Hebräischen steht für Herrlichkeit das Wort kavod,
das kann auch „göttlicher Glanz“ heißen.
„Lass mich deinen göttlichen Glanz schauen.“
Und wir können noch mit eigenen Worten hinzufügen:
„Sonst pack ich es nicht, sonst gebe ich auf.“
Und siehe da: Gott willigt ein. Er sagt:
„Ich will an dir vorübergehen in all meiner Güte,
und will vor dir kundtun den Namen des HERRN…
Mein Angesicht aber kannst du nicht sehen;
denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“
Liebe GD-Gemeinde,
Gott zu sehen, dessen sind wir nicht fähig,
dafür sind unsere Augen nicht gebaut.
Gottes Glanz halten sie nicht aus,
der Mensch würde sterben.
Gott in all seiner Herrlichkeit
ist eine todbringende Überforderung für uns.
Deshalb muss auch Mose geschützt werden. Gott sagt:
„Siehe, es ist ein Raum bei mir,
da sollst du auf dem Fels stehen.
Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht,
will ich dich in die Felskluft stellen
und meine Hand über dir halten,
bis ich vorübergegangen bin.
Dann will ich meine Hand von dir tun,
und du darfst hinter mir her sehen;
aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“
Liebe GD-Gemeinde,
ich weiß nicht, wer von sich sagen würde:
„Ich habe Gott geschaut.“
Letztendlich geht es uns wie Mose:
Wir können Gott nur hinterher schauen.
Spuren von Gottes Glanz in unserem Leben,
die haben wir schon geschaut.
Vielleicht kennen Sie die Geschichte
von den Fußspuren im Sand.
Für diejenigen, die sie nicht kennen,
möchte ich sie erzählen:
Ein Mensch träumt, er ginge am Meer entlang mit Gott.
An ihnen vorüber ziehen Streiflichtern gleich
Bilder aus seinem Leben.
Als der Mensch zurückschaut,
erkennt er, dass an manchen Stellen seines Weges
nur ein Paar Füße zu sehen sind,
und die sind ausgerechnet immer dann zu sehen,
wenn das Leben dieses Menschen
besonders schwer war.
Enttäuscht wendet sich der Mensch an Gott und fragt:
„Du hast mir versprochen, mein ganzes Leben
bei mir zu sein. Warum hast du mich verlassen,
wenn ich dich am meisten gebraucht habe?“
Und Gott antwortet:
„Mein liebes Kind. Nie ließ ich dich allein.
Schon gar nicht in Zeiten der Not.
Wo du nur ein Paar Spuren im Sand siehst,
da sei ganz gewiss: Ich habe dich getragen.“
Liebe GD-Gemeinde,
oft merken wir Gott erst im Hinterherschauen,
wenn der Augenblick Gottes in unserem Leben
schon wieder vorbei ist.
Oft erkennen wir erst im Nachhinein,
wie nahe wir Gott sind und wie nahe Gott uns ist.
Spuren der Liebe Gottes gibt es,
auch in unserem Leben, in unserer Welt.
Umgekehrt wissen wir auch um die Erfahrung
von Gottesferne.
Wenn Menschen das Gefühl haben,
dass Gott sie verlassen hat, so wie Jesus am Kreuz.
Am Kreuz rief Jesus zu Gott:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Gottesferne kennen wir,
wenn wir vergeblich auf Gottes Eingreifen hoffen,
etwa auf die Heilung von einer schweren Krankheit.
Gottesferne gibt es,
wo Menschen sich von Gott abwenden,
so wie das Volk Israel in der Wüste,
als es das goldene Kalb gemacht hat.
Auch in unserer Zeit werden Götzen angebetet,
der Gott des Geldes etwa und der Börse.
Wir wissen, wie diese Geschichte weitergeht.
Auch hier gab es zerriebenes Gold:
die Krise aufgrund von Fehlspekulationen,
Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Absturz,
Unheil – auch über Unschuldige.
Gottes Strafe trifft nicht nur Israel,
sie trifft Mose ebenfalls.
Doch wie bei Mose dürfen wir Gott hinterher schauen.
Für uns aber setzt Gott noch eins drauf:
Er schickt uns einen, dem wir ins Angesicht sehen,
von Mensch zu Mensch.
In diesem Angesicht ist Gott selbst.
Und weil er das Angesicht eines Menschen hat,
können wir ihn sehen und anfassen,
mehr noch:
Wer sich an ihn hält, den macht er heil,
den schickt er in ein neues Leben.
In Jesus Christus sehen wir Gottes Liebe,
Gottes Güte, Gottes Erbarmen mit uns.
Auch wenn der historische Jesus
schon lange an uns vorüber ist,
immerhin fast 2000 Jahre,
seine Geschichte kennen wir,
und diese Geschichte mit uns geht weiter.
Aus der Bibel wissen wir um sein Vermächtnis.
Und dieses Vermächtnis für uns heißt Liebe:
Liebe zu Gott, zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst.
Zeichen der Liebe,
das sind Spuren Gottes in unserer Welt.
Und wir sind eingeladen, diesen Spuren zu folgen.
Wer Jesu Spuren folgt, der betritt einen Weg,
der zu Gott führt.
Dieser Weg gibt uns Zukunft und Leben,
ewiges Dasein in Gottes Gegenwart und Licht.
Diese Spuren können wir sehen.
Lasst uns diesen Spuren trauen
und den Weg Gottes mit uns gemeinsam gehen!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. A.