Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde der Weihnacht,
beim Hereinkommen in die Kirche haben Sie
ein Licht in die Hand bekommen und eine Nuss.
Die Nuss wird Teil meiner Predigt sein.
Ich möchte sie bitten,
die Nuss in die Hand zu nehmen.
Aus der Erfahrung wissen wir:
Die Nuss hat eine raue Schale,
aber einen weichen Kern.
Von außen ist der Kern nicht sichtbar.
Er ist verborgen, geschützt von der Schale.
Es ist schwer, an ihn heranzukommen,
es braucht Kraft, die Schale zu knacken.
Lassen wir den Kern in seiner Schale.
Wenn wir die Schale ansehen, merken wir:
Es ist keine bunte Verpackung,
nicht besonders schrill,
nicht besonders schillernd,
nicht wie manches Päckchen unterm Tannenbaum.
Ihre Farbe ist eher unscheinbar,
braun oder beige,
an manchen Stellen uneben, schroff, kantig,
mitunter voll Flecken oder Schmutz.
Insgesamt ist ihre Oberfläche wenig ansprechend.
Was hat die Nuss mit Weihnachten gemeinsam?
Zum einen: Nüsse gehören mit zum Fest,
sei es als Dekoration,
sei es zum Essen auf einem Weihnachtsteller.
Vielleicht haben Sie die eine oder andere Nuss
auch geknackt.
Zum anderen:
Die Nuss ist ein Symbol für Fruchtbarkeit.
Das war sie schon bei den Griechen und Römern.
Die Nuss ist ein Samen.
Aus ihr entsteht ein mächtiger Baum.
Für mich symbolisiert die Nuss
das Geheimnis der Weihnacht.
Schon Wochen vor den Feiertagen wird viel getan,
um Menschen in Weihnachtsstimmung zu bringen:
Weihnachtsmärkte und Lichterketten,
Werbeprospekte im Hochglanzformat.
Und diese Prospekte im Hochglanzformat
wollen uns belehren,
was wir einkaufen und organisieren müssen,
damit es in uns und um uns Weihnachten wird.
Verschiedene Ideen haben Lebensmittelmärkte, Versandhäuser, Textilgeschäfte und Reiseanbieter
dazu beigesteuert.
Diesen Ideen zufolge müssten wir jetzt eigentlich
auf einer Kreuzfahrt durch die Karibik fahren.
Er – im Smoking – beschenkt Sie – im Abendkleid –
mit Perlenkette, Goldohrringen und Parfum.
Oder: wer es lieber idyllisch mag:
Sie fährt mit Ihm
durch einen verschneiten Tannenwald
im mit Glöckchen behängten Schlitten.
Oder: wer auch das nicht kann,
der hat Zuhause wenigstens Trüffelleberpastete,
Hummerschwänze und Champagner zum Fest. ----
Sie dagegen bekamen,
als Sie heute in diese Kirche kamen,
nur eine Nuss in die Hand gedrückt.
Das muss für die,
die die Hochglanzprospekte entworfen haben,
und auch für die,
die sich von diesen Prospekten haben leiten lassen,
eine herbe Enttäuschung sein.
Wer viel von Weihnachten erwartet,
viel an Glemmer, Glitzer, Festtagsstimmung,
der kann ebenso sehr enttäuscht werden.
Weihnachten lässt sich nicht durch Glitzer erzeugen.
Weihnachten kommt von selbst.
Wir können es nicht bestimmen,
sondern nur erwarten.
Wie Weihnachten kommt, dass ist uns verborgen,
so verborgen wie der Kern einer Nuss.
Weihnachten ist jedenfalls mehr als die äußere Schale,
das Eigentliche findet im Inneren statt,
das Geheimnis von Weihnachten liegt hier drinnen.
Nehmen wir die äußere Schale weg, was bleibt dann?
Dann haben wir so etwas Weiches, Zartes, Zerbrechliches wie das Fleisch der Walnuss:
Dann haben wir ein neugeborenes Kind.
Schutzlos, hilfsbedürftig,
den Widrigkeiten des Lebens ausgesetzt.
So klein und arm kommt Gott auf die Welt.
Lukas erzählt es in seiner Weihnachtsgeschichte:
In dieser Geschichte gibt es keine Kreuzfahrt,
keinen Champagner,
da ist nur eine Krippe in der Nacht
gefüllt mit pieksendem Stroh,
ein ärmlicher Stall
mit Ochs und Esel als Wärmespender,
einfache Menschen als Eltern:
ein Zimmermann
und eine unehelich schwanger gewordene Frau.
Kein besonderer Festtagszauber.
Wäre da nicht,
ja wäre da nicht die Botschaft der Engel
für die Hirten auf den Feldern:
„Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch
große Freude, die allem Volk widerfahren wird,
denn euch ist heute der Heiland gekommen,
welcher ist Christus der Herr in der Stadt Davids.“
Liebe Festtagsgemeinde,
ein kleines Kind wird zum Retter der Menschen.
In einem miefigen Stall wird der Heiland geboren.
Gott selbst kommt in Armut zur Welt.
Diese Botschaft von Engeln auf den Feldern
erfahren keine Bedeutenden, Mächtigen, Reichen,
keine berühmten Leute:
Es sind einfache, verachtete, arme Menschen,
mit Arbeit, die sonst niemand machen wollte.
Heute wären es ein Euro Jobber.
Zu denen kommt der Engel.
Ihnen bringt Gott als erstes die frohe Botschaft:
„Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude!“
Lukas sagt nicht,
dass die Hirten sich beim Hören dieser Worte
besonders gefreut haben.
Sie haben sich zunächst mal heftig erschreckt.
Kein Wunder bei so einer überirdischen Erscheinung.
Und dann haben sie sich kräftig gewundert:
Wieso kommt ausgerechnet zu ihnen ein Engel?
Der Schrecken sitzt noch in den Gliedern.
Sie wissen nicht recht: Ist diese Botschaft wirklich?
Sie beschließen, ihr zumindest nachzugehen,
selbst zu sehen, was passiert ist,
ob sie stimmt.
Sie gehen und suchen den Heiland.
An Hinweisen haben sie nicht viel bekommen:
Ein Kind in Windeln gewickelt –
das trifft auf viele Kinder zu.
In einer Krippe liegend.
Das weist auf einen Stall.
In irgendeinem Stall in Bethlehem
muss das Kind also liegen.
Wobei: Der Heiland in einem Stall?
Das hat sie erst recht gewundert.
Wieso nicht in einem Palast?
Wieso nicht als Sohn des Königs Herodes?
Die Hirten beginnen mit der Suche.
Wie lange diese Suche gedauert hat,
wird nicht erzählt.
Ich stelle mir vor,
dass sie Jesus nicht gleich gefunden haben.
Vielleicht wurden sie aber auch von Gott
dorthin geführt.
Wir erfahren jedenfalls,
dass die Suche erfolgreich war.
Irgendwann in der Nacht haben sie Jesus gefunden,
so wird es von Lukas erzählt:
„Und sie kamen eilend und fanden beide,
Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.“
Liebe Gemeinde der Weihnacht,
die Hirten haben Christus gefunden.
Dieses Finden setzt voraus,
dass einer sich auf die Suche macht,
es setzt auch voraus,
dass Menschen den Engeln glauben,
dass sie bereit sind,
Gott in ihrem Leben gelten zu lassen.
Solcher Glaube ist gar nicht einfach,
das wissen viele aus eigener Erfahrung.
Denn was wir an Weihnachten haben,
ist oft so unscheinbar wie eine Nuss.
Stall und Krippe sind nicht schillernd.
Wie die Nuss sind sie nicht bunt und schrill.
Das Eigentliche aber, das Zarte, das Süße ist innen.
In der Krippe ist ein Kind.
Von ihm ist etwas Einzigartiges, Faszinierendes,
Herzergreifendes ausgegangen:
eine Kraft, eine Aura, ein Geheimnis,
etwas, das Menschen bis heute begeistert.
Die Hirten waren begeistert,
sie sind von diesem Kind überzeugt gewesen.
Sie haben sich über den neuen Messias,
über Gottes Botschaft an sie gefreut.
Für diese Freude brauchten sie keinen Glemmer,
keinen Glitzer, keine Kreuzfahrt.
Sie brauchten Glauben,
um sich zu Gott auf den Weg zu machen.
Sie hatten gehört: Gott ist zu euch gekommen.
Sie haben diesen Worten geglaubt,
so kamen sie Gott entgegen.
Dazu brauchten sie sicher Entschlusskraft,
den Willen, sich führen zu lassen,
Geduld und Ausdauer bei der Suche nach dem Kind.
All diese Fähigkeiten hat jeder und jede in uns,
die gibt es in keinem Geschäft zu kaufen.
Weihnachten auf die Spur zu kommen,
ist wie das Knacken einer Nuss:
Auch das Knacken einer Nuss
braucht Geduld, Zeit und Kraft.
Erst danach werden wir an den weichen, den süßen, den zarten Inhalt kommen,
an den Kern der Botschaft.
In einer rauen Umgebung,
mit einer unscheinbaren Verpackung
fängt Weihnachten an.
Doch darinnen liegt – geschützt und verborgen –
das Geheimnis der Weihnacht.
Lassen Sie uns diesem Geheimnis auf die Spur kommen.
Fangen wir beim Kleinen, Zerbrechlichen, Unscheinbaren an.
Ich wünsche Ihnen eine vom Glauben
und der Kraft der Hirten erfüllte Zeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.