Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
vor einigen Tagen hat uns das Friedenslicht von Bethlehem erreicht.
Sie haben vielleicht davon gehört:
Dieses Licht stammt aus der Geburtskirche.
Dort brennt es das ganze Jahr über an der Stelle,
an der die Krippe von Jesus gestanden haben soll.
Wenn auch nichts davon wissenschaftlich erwiesen ist,
die Evangelien über den Geburtsort Jesu
Unterschiedliches oder auch gar nichts berichten
– wobei Lukas die uns bekannteste Angabe macht, nämlich Bethlehem –
dieses Friedenslicht ist dennoch
ein wunderschönes Zeichen.
Christliche Pfadfinder sind dafür nach Bethlehem gereist,
um das Licht von dort in alle Welt zu bringen.
Die kath. Gemeindereferentin hat dieses Licht
vor einigen Tagen zu uns gebracht.
An heilig Abend wurde es in Gottesdiensten
an die Besucher weitergegeben.
Heute habe ich mein kleines Teelicht daran angezündet.
Dieses Licht zeigt: Gott ist in der Welt.
Wenn auch der Geburtsort Jesu nicht sicher ist,
wir wissen doch, wer seine Eltern sind.
Von seiner Mutter Maria gibt es einen Text,
den hat der Evangelist Lukas geschrieben.
Darin schildert er eine Welt, in der Gott herrscht,
eine Zukunft, in der Gottes Wille gilt.
Ich lese diesen Text aus einer neueren Übersetzung,
der Bibel in gerechter Sprache,
aus dem Evangelium des Lukas, Kap. 1,
die Verse 46-55.
Darin spricht Maria,
nachdem sie erfahren hat, dass sie schwanger ist:
„Meine Seele lobt die Lebendige
und mein Geist jubelt über Gott, der mich gerettet hat.
Er hat auf die Erniedrigung seiner Dienerin geschaut.
Seht, von nun an werden mich alle Generationen glücklich preisen, denn großes hat die göttliche Macht
an mir getan, und heilig ist ihr Name.
Ihr Erbarmen schenkt sie von Generation zu Generation denen,
die Ehrfurcht vor ihr haben.
Sie hat Gewaltiges bewirkt.
Mit ihrem Arm hat sie die auseinandergetrieben,
die ihr Herz darauf gerichtet haben,
sich über andere zu erheben.
Sie hat Mächtige von den Thronen gestürzt
und Erniedrigte erhöht,
Hungernde hat sie mit Gutem gefüllt
und Reiche leer weggeschickt.
Sie hat sich Israels, ihres Kindes, angenommen
und sich an ihre Barmherzigkeit erinnert,
wie sie es unseren Vorfahren zugesagt hatte,
Sara, Abraham und ihren Nachkommen für alle Zeit.“
Gott, segne an uns dein Wort.
Liebe Festtagsgemeinde,
Maria jubelt.
Ein Engel hat ihr gesagt:
Sie bringt Gottes Sohn zur Welt.
Diese Nachricht gibt der Entehrten einen neuen Wert.
Mit Josef verlobt, war sie schwanger,
aber nicht von Josef.
Nach jüdischem Recht hätte er sie verstoßen dürfen,
ihre Schande öffentlich machen.
Aber er tat es nicht.
Er hat Maria damit das Leben gerettet.
Dem Gesetz nach galt Maria als Ehebrecherin,
das Volk hätte sie dafür gesteinigt.
So aber bleibt das Wissen um die Entehrung
zwischen ihr und ihrem Mann.
In ihr wächst ein Gotteskind.
Das gibt ihr eine neue Ehre.
Maria ist glücklich, sie jubelt und preist Gott.
Ihr Lobgesang entwirft ein Hoffnungsbild,
einen gesellschaftlichen Umsturz von enormem Ausmaß.
Vier Umbrüche sagt sie an.
Hier der erste:
„Die göttliche Macht hat Gewaltiges bewirkt.
Mit ihrem Arm hat sie die auseinandergetrieben,
die ihr Herz darauf gerichtet haben, sich über andere zu erheben.“ 1. große Kerze wird angezündet.
Martin Luther hat übersetzt:
„Gott übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut,
die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.“
Hoffärtig sind die, die sich höfisch verhalten,
die stolz daher gehen,
die sich über andere erheben,
alles und jeden richten,
die selbst Recht sprechen nach ihrem eigenen Wertesystem,
die ihre Meinung zur Normen für andere machen.
Wer ist damit gemeint?
Vielleicht die Modezaren, die vorschreiben möchten,
wie Mann oder Frau auszusehen haben.
Vielleicht die so genannten „Saubermänner“,
die, statt vor der eigenen Haustür zu kehren,
lieber über die anderen tratschen.
Vielleicht die „Moralinsaueren“,
die mit dem Finger auf andere zeigen,
damit keiner merkt, was bei ihnen nicht stimmt.
Gott wird sie entmachten.
Hochmut kommt vor dem Fall.
Vier Umbrüche wird es geben.
Das ist der zweite:
„Die göttliche Macht hat Mächtige von den Thronen gestürzt und Erniedrigte erhöht.“
2. große Kerze wird angezündet.
Das Hohe wird niedrig und das Niedrige groß werden.
Die ihre Macht mit Waffen aufrichten,
die Armeen besitzen oder Terroristen,
die Bin-Ladens dieser Welt werden entmachtet.
Die, die nichts gelten, werden gehört,
sie werden geschätzt und geehrt.
Die, auf die herabgesehen wird,
die an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind,
die, um die sich nur unzureichend
oder gar nicht gekümmert wird,
die, die keine Lobby für sich
in unserer Gesellschaft haben,
denen gibt Gott Recht.
Vier Umbrüche wird es geben.
So sieht der dritte aus:
„Hungernde hat die göttliche Macht mit Gutem gefüllt und Reiche leer weggeschickt.“
3. große Kerze wird angezündet.
Die Armen haben satt zu Essen,
die Reichen gehen leer aus.
Sie werden dafür bestraft,
dass sie nicht zu teilen bereit gewesen sind,
dass sie für ihr Leben im Luxus
den Hungertod der anderen in Kauf genommen haben.
Arme Länder kommen aus ihrer wirtschaftlichen
und finanziellen Abhängigkeit heraus.
Industrieländer hören damit auf,
die Ressourcen der Erde auszubeuten,
deren Folgeschäden die Ärmsten der Armen
und andere Geschöpfe mit zu tragen haben
wie Klimakatastrophen, Tsunami,
das Schmelzen der Polarkappen.
Börsenmakler, die die Wirtschaftskrise
durch gewissenlose und risikoreiche Spekulationen
zu verantworten haben, werden arbeitslos,
sie bekommen Harz 4.
Diejenigen, die infolge der Wirtschaftskrise unschuldig arbeitslos geworden sind,
bekommen einen garantierten Arbeitsplatz,
Festanstellung bis zur gut bezahlten Rente.
Vier Umbrüche wird es geben.
Das ist der vierte:
„Die göttliche Macht hat sich Israels, ihres Kindes, angenommen und sich an ihre Barmherzigkeit erinnert, wie sie es unseren Vorfahren zugesagt hatte, Sara, Abraham und ihren Nachkommen für alle Zeit.“
4. große Kerze wird angezündet.
Gott ist für sein Volk da,
er umgibt es mit Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit heißt auf Hebräisch Rächäm.
Rächäm ist auch das Wort für Gebärmutter.
Wie eine Gebärmutter umgibt Gott sein Volk,
schützt es und sorgt dafür, dass es ihm gut geht.
Das ist der vierte Umsturz.
Jetzt wird der ein oder die andere fragen:
Ist es denn so gekommen?
Hat sich die Welt dahin verändert,
seit Christus geboren worden ist?
Die Schere zwischen Arm und Reich ist wieder größer.
Die Mittelschicht schwindet.
Menschen hungern – überall auf der Welt.
Viele sind arbeitslos oder stehen davor.
Die für die Wirtschaftskrise verantwortlich sind,
zeigen weder Reue noch Demut.
Zumindest habe ich noch nichts davon gemerkt.
Sie haben sich aus der Verantwortung gestohlen.
Also blasen wir dieses Licht aus.
1. Kerze wird ausgeblasen.
Wie oft gilt das Gesetz des Stärkeren.
Die Mächtigen dieser Welt herrschen.
Viele nutzen ihre Macht zum eigenen Vorteil,
unterdrücken – teils mit Waffengewalt – ganze Völker,
oder sie machen sie wirtschaftlich von sich abhängig.
Also können wir auch diese Kerze löschen.
2. Kerze wird ausgeblasen.
„Haste was, bist’e was“, so lautet ein Sprichwort.
Ansehen wird in unserer Gesellschaft
nach Leistung beurteilt.
Der Wert eines Menschen
wird von Statussymbolen abhängig gemacht.
Wer da nicht mithalten kann,
kommt schnell an den Rand der Gesellschaft,
der erfährt wenig Solidarität von seinen Mitmenschen,
der wird missachtet, als störend empfunden
oder sogar als Sozialschmarotzer beschimpft.
Menschen urteilen so knallhart über andere.
Blasen wir auch dieses Licht aus.
3. Kerze wird ausgeblasen.
Immer wieder erleben Menschen,
dass es gar nicht barmherzig zugeht auf der Welt:
Menschen werden verfolgt, misshandelt,
in anderen Ländern wegen ihres Glaubens verhaftet.
Moslems, Juden, Christen –
alle meinen von sich,
die einzig wahre Religion zu haben.
Und so wird – im Namen Gottes –
weiter miteinander gezankt,
einander Gewalt angetan und Krieg geführt.
Wie viele haben Fanatismus mit dem Leben bezahlt.
Manchmal fängt es schon bei kleinen Konfessionsunterschieden an,
dass Menschen sich voneinander abwenden.
Christus aber sagt:
Liebt eure Nächsten, ja sogar eure Feinde!
Offensichtlich ist dieser Funke nicht übergesprungen.
Blasen wir auch dieses Licht aus.
4. Kerze wird ausgeblasen.
Was bleibt, ist nur dieses kleine Licht.
Eine unscheinbare Flamme.
Aber dieses kleine Licht scheint.
Das kann uns niemand nehmen.
In diesem Licht kommt Gott zur Welt,
nicht in einem Palast,
nicht in einer der großen Städte,
sondern – wie Lukas sagt – in einem Stall.
So macht Gott sich selbst zum Armen
für die, die an den Rand der Gesellschaft
gedrängt worden sind.
Den Hirten bringt Gott als erstes die Nachricht
von der Geburt seines Sohnes.
Christus ist geboren.
Dieses kleine Licht scheint.
Ob es überspringt, hängt mit an uns Menschen.
Lassen wir dieses Licht Gottes in uns leuchten
und aus uns heraus!
Tragen wir mit dazu bei,
dass Gott – auch durch uns – in dieser Welt wirkt,
damit Menschen mehr Barmherzigkeit und Solidarität erfahren,
Güte und Liebe, Gerechtigkeit und Verständnis
über alle Religionen und Konfessionen hinaus,
über Rassen und Hautfarben hinweg.
Ich bin sicher,
dass dann auch eines Tages
diese großen Kerzen wieder leuchten.
Das ist die Hoffnung,
die ich mit diesem Licht verbinde.
Bewahren wir diese Hoffnung in uns
und tragen wir sie hinaus in die Welt.
Geben wir das Licht von Bethlehem in uns weiter.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.