Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Festtagsgemeinde,
Erntedank – das heißt:
Gott danken für alles Gute,
das uns geschenkt wurde,
Gott ehren für seine Liebe, die Leben hervorbringt,
fördert und bewahrt,
Gott loben als Schöpfer und Quelle allen Seins. ----
Nicht immer ist uns zum Danken zu Mute.
Manch einer trauert um einen Menschen,
den er verloren hat.
Ein anderer sorgt sich um seinen Arbeitsplatz.
Da stehen Fragen im Raum:
Wie geht es weiter?
Wie wird die Ausbildung der Kinder finanziert,
die Familie versorgt werden?
Ein anderer plant schon die nächste Aussaat,
hat zum Danken,
zum bewussten Wahrnehmen all dessen,
was geerntet wurde, -- keine Zeit.
Danken lässt sich nicht per Knopfdruck erbringen.
Danken braucht Raum und Ruhe und Zeit:
Sich bewusst machen, erinnern und wahrnehmen,
was in diesem Jahr Gutes geschah,
was uns gelungen ist,
worüber wir uns gefreut haben,
was uns gut getan hat,
was wir geschenkt bekamen:
Da gab es die Geburt eines Kindes,
dort wurde ein Hausbau fertig.
Und dann gab es die vielen Geschenke des Alltags:
Sonnige Tage, wie wir sie gerade haben,
lang ersehnter Regen im Sommer,
nachdem der Frühling so heiß und trocken war,
Pfauenaugen, die hier und da noch flattern
und vieles andere, worüber sich staunen, freuen,
wofür sich danken lässt. ----
Einer, der danken konnte,
war der Lieddichter Matthias Claudius.
Matthias Claudius lebte von 1740 bis 1815 –
geborgen in Lübeck, verstorben in Hamburg.
In jungen Jahren war er an den Blattern erkrankt,
und während er die Krankheit überlebte,
verstarb sein Bruder.
Claudius hat den Tod seines Bruders
nur langsam verwunden. ----
Was ihm in bei seiner Trauer geholfen hat,
war das Schreiben. ----
Sehr viel später, Ende des 18. Jahrhunderts,
schrieb er eine dramatische Erzählung,
genannt „Erdmanns Fest“.
Die Handlung dieser Erzählung
lässt sich leicht - aus dem Titel erschließen:
Sie erzählt von Bauer Erdmanns besonderem Dankfest
Und bei diesem Fest sagt Bauer Erdmann:
„Es sind heute fünfzig Jahr, als ich dies Erbe sehr wüst und verfallen antrat. Ich habe mit Gott angefangen
und ihn oft hinterm Pflug um seinen Segen gebeten – und er hat gesegnet. Gott ist gnädig und verlangt
von uns, dass wir seine Güte erkennen.
Ihr lieben Nachbarn, helft mir heute Gott danken!
Und lasst uns hier miteinander fröhlich sein!“
Das Fest wird gefeiert,
und dann endet die Erzählung mit einem Lied:
Es ist ein Bauernlied -- bestehend aus 17 Versen,
das im Wechsel von Vorsänger und Chor
gesungen wird.
Aus diesem Lied entstand später
im Jahr 1800 jenes Lied,
das wir es aus unserem Gesangbuch kennen,
dessen Melodie wir nun hören werden: …
Matthias Claudius studierte Theologie,
Rechts- und Staatswissenschaft,
er war Sekretär in Kopenhagen
und Redakteur in Hamburg.
Seit 1771 gab er eine Zeitschrift,
den „Wandsbecker Boten“ heraus. ----
Claudius kannte sich auch mit dem Landleben aus:
1781 kaufte die Familie Grundbesitz in Wandsbek:
ein Haus mit Garten und Wiese für zwei Kühe.
So wurde aus dem Schreiber ein Landwirt
im Nebenerwerb.
Auf diesem Gut erlebte nun Claudius
Saat und Ernte.
Er lernte Mangel und Armut kennen,
Erfolg und Misserfolg.
Und er erkannte,
dass der Erfolg menschlicher Arbeit
nicht so sehr von ihm selbst,
sondern von einer höheren Macht abhängt.
Wir singen die erste Strophe des Liedes,
-- das Sie unter der Nummer 508 finden, --
und den Refrain.
Laut geht es heute auf den Feldern zu,
wo Lesefahrzeuge und Erntemaschinen
im Einsatz sind.
Leise wirkt dagegen Gott.
Gottes Wirken zeigt:
Wachsen braucht Ruhe und Zeit.
Sich Entwickeln geschieht leise.
Ob es nun das Reifen der Früchte auf den Feldern ist, oder das Entfalten unserer Fähigkeiten.
In Gottes Hand sind wir frei, zu leben und zu werden.
Zum Reifen und Wachsen
gibt Gott uns Raum und Zeit.
Wir singen die zweite Strophe.
Menschen und Gott arbeiten zusammen –
zumindest in Claudius Lied.
Nach dem Wachsen kommt das Ernten,
aus dem Korn wird Brot.
Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott.
Darin liegt die Selbstbescheidung des Menschen:
in dem Bewusstsein, das von sich sagt:
Ich kann und ich muss nicht alles leisten.
Da gibt es eine Grenze zwischen Gott und Mensch,
und eine Befreiung zugleich.
Denn die Erkenntnis,
dass nicht jeder Erfolg,
auch nicht jeder Misserfolg,
mit uns zu tun hat,
das zu erkennen, macht frei:
Es befreit von Ansprüchen,
die wir uns selbst auferlegen,
von Anforderungen, die andere an uns richten.
Als Geschöpf hören wir:
Ich kann und ich muss nicht alles leisten.
Gott ist Schöpfer,
und wir sind von dieser Schöpfung – ein Teil,
von Gott beauftragt,
unseren Platz in seinem Werk einzunehmen,
uns einzufügen in den großen Reigen all dessen,
was ist und atmet und lebt.
Wir singen die dritte Strophe mit dem Refrain.
Wie gut, dass wir nicht das Wetter machen können – so höre ich manchmal den ein oder anderen sagen.
Im Spiegel und im Fokus lese ich aber:
Wissenschaftler der USA tun das.
Sie bringen mit Düsenjets -- ganz gezielt --
Chemie an den Himmel,
um die Sonne zu verdunkeln,
den Einfall des Lichts zu reduzieren.
So können sie bestimmen,
auf welchem Teil der Erde Sonnenschein ist
und wo nicht.
Vor dieser Tatsache dürfen die Augen
nicht verschließen.
Hier arbeiten Menschen
gezielt gegen Gottes Schöpfungswerk
und das heißt auch gegen andere Menschen.
Hier wird gezielt Wetter gemacht.
Doch wissen wir nichts über mögliche Folgen.
Das gleiche gilt für Gentechnik und Genmedizin. ----
Manchmal frage ich mich:
Weint Gott über uns? ----
Dann lese ich in der Genesis:
„Gott ist barmherzig und gnädig, geduldig
und von großer Gnade und Treue,
der da Tausenden Gnade bewahrt
und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde,
aber ungestraft lässt er niemand,
sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied!“
Liebe Erntedankgemeinde!
Ich hoffe und bete darum:
Möge Gott über seine Schöpfung gnädig sein.
Trost und Hoffnung dazu gibt die vierte Strophe
von Matthias Claudius Lied,
die wir jetzt wieder mit dem Refrain singen werden: …
Liebe Festtagsgemeinde,
Erntedank – das heißt:
Gott danken für alles Gute,
Gott ehren für die Liebe, die Leben hervorbringt,
Gott Gott sein lassen
und uns einfügen in den Reigen seiner Werke,
indem wir die Erde bewahren und schützen
und pflegen.
Dazu gibt Gott uns seinen Segen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus Amen.