Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe GD-Gemeinde,

der Predigttext für den heutigen Sonntag steht Joh 9,1-7. Da wird uns folgende Geschichte erzählt:

Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen,
der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?“ Jesus antwortete: „Es hat weder dieser gesündigt
noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm. Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“ Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei
und strich den Brei auf die Augen des Blinden. Und er sprach zu ihm: „Geh zum Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich!“ Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder. --- Herr, segne an uns dein Wort.

Liebe GD-Gemeinde, worum geht es in dieser Geschichte?

Einige werden denken:
Da geht es um Heilung mit Medizin:

ein Brei aus Erde und Spucke wird auf die Augen eines Blinden geschmiert, damit er sehend wird.

Doch die Heilung
– so ausführlich Johannes sie schildert –

ist nur Mittel zum Zweck:

Die Jünger fragen: Wer hat gesündigt?

Und Jesus zeigt ihnen – im Vorbeigehen,
dass es bei einer Krankheit nicht um Sünde geht.

Die Heilung geschieht, damit die Jünger verstehen:

Weder der Blinde noch seine Eltern sind schuld
an der Blindheit.

Niemand freut sich über die Heilung:
Der Blinde nicht, -- auch nicht die Jünger,

nicht mal die Menschen, die von der Heilung hören,
sie wundern sich

– so heißt es im Anschluss an den Predigttext.
Da geht die Erzählung weiter.

Und auch dieser Fortgang ist wichtig,
um zu verstehen, worum es in der Geschichte geht,
warum Johannes sie uns erzählt.
Und Johannes schildert nun die Reaktion der Leute:

Manche, die von der Heilung hören, meinen,
der Mann sei niemals wirklich blind gewesen.

Sie zweifeln die Heilung an.
Andere meinen:

Der Geheilte sei jemand anderer,
der dem Blinden nur ähnlich sieht.

Auch deren Meinung nach
hat es keine Heilung gegeben.

Die Pharisäer wiederum wollen wissen,
wer am Sabbat geheilt hat – also am Ruhetag.

Da ist Heilung nämlich verboten.

Dass da jemand gesund geworden ist,
interessiert nicht.

Der Geheilte sieht sich sogleich
einem Verhör ausgeliefert.

Das ist so ziemlich das Erste,

was er in der Begegnung mit anderen Menschen
als Sehender erlebt.

Sie zweifeln seine Geschichte an,
zweifeln an seiner Identität.

Dann, als er bekennt, dass Jesus, der ihn geheilt hat, zumindest ein Prophet ist,

wird er von seinen Glaubensgenossen
aus der Gemeinde ausgeschlossen.

Ein Prophet würde nämlich nie am Sabbat heilen,
Jesus kommt also nicht von Gott – sagen sie.
Dann kommt das Ende der Geschichte,
und das möchte ich Ihnen gerne noch im Originaltext
vorlesen:
Es kam vor Jesus, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und als er ihn fand, fragte er:
„Glaubst du an den Menschensohn?“
Er antwortete und sprach: „Herr, wer ist's?
dass ich an ihn glaube.“ Jesus sprach zu ihm:
„Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist's.“
Er aber sprach: „Herr, ich glaube“, und betete ihn an.
Und Jesus sprach: „Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die die nicht sehen, sehend werden, und die die sehen, blind werden.“
Das hörten einige der Pharisäer, die bei ihm waren, und fragten ihn: „Sind wir denn auch blind?“
Jesus sprach zu ihnen: „Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde.“

Liebe GD-Gemeinde,
vielleicht haben wir jetzt eine Spur bekommen,
worum es in der Geschichte geht:
Es geht um den Gegensatz: Blind und sehend.

Die Pharisäer meinen sehend zu sein,
sie kennen die Gebote, den Willen Gottes.

Sie meinen zu wissen, was richtig ist und was falsch,
wer gesündigt hat und wer nicht.

Sie fasten und beten,
ärgern sich, dass Jesus am Sabbat geheilt hat.

Vielleicht fällt einigen von Ihnen
auch die Geschichte vom Ährenraufen am Sabbat ein.

Da hatten sich die Pharisäer ebenfalls über Jesus aufgeregt.

Die Pharisäer halten sich also für sehend,
und sind doch blind:

Sehenden Auges streiten sie ab,
dass Jesus der Messias ist, der Gesandte Gottes.

Sie erkennen seine Autorität nicht an.

„Betriebsblind“ –
so würde ich die Pharisäer bezeichnen.

Sie meinen, alles richtig zu sehen,
und merken dabei ihre eigene Blindheit nicht.

Und das wiederum macht sie
in den Augen Jesu zu Sündern.

Umso mehr sind gerade sie auf die Gnade
und Vergebung Gottes angewiesen.

Aber wer ist das nicht?

Betriebsblinde gibt es heute auch –
und das nicht zu knapp:
Da gibt es die kleinen Betriebsblinden,
die sich mit ihrer Firma, in der sie arbeiten,

mit ihrem Verein, einer Partei identifizieren,

so sehr, dass sie nicht merken, wo es in ihrer Firma,
ihrem Verein, in ihrer Partei dunkle Flecken gibt:

Falsche Entscheidungen, fehlerhaftes Handeln.

Betriebsblinden, die sich so auf die Seite einer Firma, eines Vereins, einer Partei stellen,

fehlt die Möglichkeit, zu dieser Firma, dieser Partei, zu diesem Verein, kritisch in Distanz zu treten.

Sie haben die Meinung der anderen
zu ihrer eigenen gemacht,

so dass sie sie nicht mehr hinterfragen können.

Die Möglichkeit,
sich und die anderen korrigieren zu können,

bleibt dabei auf der Strecke. ----
Und dann gibt es die großen Betriebsblinden:

Menschen,

die die Distanz zu sich selbst verloren haben,
die ihre Sicht der Welt als die einzig wahre,

die einzig gültige,
die einzige selig machende anerkennen.

Menschen, die meinen beurteilen zu können,

wer Gott auf seiner Seite hat und wer nicht,
wer sich als Kirche bezeichnen darf und wer nicht.

Zu diesen großen Betriebsblinden
gehören - für mich - auch solche Menschen,
die meinen, ganz genau zu wissen,
wer ein Terrorist werden könnte

und daher frühzeitig zu erschießen ist,
und wer nicht.

Zu diesen Betriebsblinden gehören für mich
überhaupt Menschen, die meinen,

anderen das Leben nehmen zu dürfen,
und dabei auch noch glauben,

sie stünden auf der Seite des Rechts.
Menschen, die sich als Gott aufspielen.

Die Betriebsblinden von heute
sind die Pharisäer von damals.

Die Pharisäer waren religiöse Eiferer,
sie sahen nicht das Heil,
das vor ihren Augen geschieht.
Sehend und doch blind.
Darin liegt nun ihre Sünde.

Jesus sagt:
„Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde.“

Die Pharisäer kennen die Gebote, lesen die Bibel,

sie haben alles ich ihren Händen,
um Gottes Wirken zu erkennen,

um nach Gottes Willen richtig zu handeln,
doch sie deuten Jesu Wirken falsch:

„Dieser Mensch ist nicht von Gott“, sagen sie,
„denn er hat den Sabbat entweiht.“

Jesus kann in ihren Augen nicht der Christus sein,
der hätte den Sabbat eingehalten.

Der ehemals Blinde wiederum erkennt,
er sieht, wer Jesus wirklich ist –

wenn auch erst am Ende der Geschichte.

Da sagt er zu Jesus:
„Herr, ich glaube“, und betete ihn an.

Eine Geschichte mit happy end also,
wenn auch nur vage:

Wir erfahren wieder nicht,
wie es mit dem Geheilten weitergeht.

Vielleicht ist er als Jesusjünger mit durch’s Land gezogen,

blieb damit aber auch
den Schmähungen der Betriebsblinden ausgesetzt.

Die ersten Schmähungen hatte er ja bereits
nach seiner Heilung erfahren.

Er blieb damit aber auch auf der Seite des Lichts.
„Ich bin das Licht der Welt.“, sagt Jesus von sich.

Haben wir das erkannt,
wenn ja, sind wir dann sehend oder blind?

Liebe GD-Gemeinde,
für mich ist mir die Antwort klar:

Ich bitte Gott und hoffe darauf,
dass ich nie zu sehr von mir überzeugt sein möge,

dass ich meine Sichtweise für die einzig wahre
und richtige halte,

dass ich die kritische Distanz zu mir selbst bewahre,

und dabei immer die Möglichkeit einräume:
ich könnte offenen Auges blind sein.
Das kann unsicher machen.
Dabei wollen die meisten Sicherheit und Halt.

Es ist auch leichter,
die Meinung eines anderen zur eigenen zu machen,

als selbst ständig auf der Suche zu sein. ----
Doch Jesu Weg war niemals leicht.

Auch seinen Jüngern
hat er nie einen leichten Weg versprochen,

wohl aber einen Weg, der hell erleuchtet sein wird durch Gottes Nähe.

Bleiben wir also bei Gott,
so bleiben wir in seinem Licht.

„Lebt als Kinder des Lichts“, sagt Paulus,
und verhaltet euch entsprechend:

„die Frucht des Lichts
ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

Wer im Licht lebt,
den erkennen wir an den Früchten des Lichts,

der ist gütig, wahr und gerecht.  ----

Möge Gott uns die Kraft geben,
in seinem Licht zu leben,

und niemand anderen in uns wirken zu lassen
als Gott selbst.

Dann werden wir Frucht bringen,
die leuchten wird in dieser Welt, in unserem Leben:
als Hilfe für alle, damit sie sehend werden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.