Ins Zentrum des Jugendstils führte dieses Jahr der Gemeindeausflug, an dem Anfang August 40 Personen teilnahmen. Bei gutem Wetter ging es nach Darmstadt auf die Mathildenhöhe, wo der Freimersheimer Friedrich Krauskopf die Gruppe mit viel Wissen übers Gelände führte. An der Künstlerkolonie vorbei standen russische Kapelle und Hochzeitsturm auf dem Programm.

Vor der prachtvollen Fassade der russischen Kapelle stellten sich die Mitreisenden zum obligatorischen Gruppenfoto auf.
Foto von Mirco Schmadel
 

 

Die Mathildenhöhe ist die höchste Erhebung der Darmstädter Innenstadt. Schon im 19. Jahrhundert befand sich hier eine Gartenanlage des großherzoglichen Hofes. 1833 wurde sie im Stil eines Englischen Landschaftsparks umgestaltet. Dabei entstand der heute noch erhaltene Platanenhain, durch den die Teilnehmer der Gemeindefahrt flanieren konnten. Der Garten wurde nach Mathilde Karoline Friederike von Wittelsbach, der Gemahlin Großherzogs Ludwig III., benannt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die russische Kapelle und die Künstlerkolonie errichtet. Anfang des 20. Jahrhunderts kam der Hochzeitsturm hinzu. Dieser Backsteinbau war ein Geschenk der Stadt Darmstadt zur Erinnerung an die Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig mit Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich im Jahr 1905. Markant an dem Bau sind die fünf Bögen des Daches, die an eine Hand erinnern, weshalb er auch „Fünffingerturm“ genannt wird. Seinen anderen Namen „Hochzeitsturm“ bekam er wegen der beiden Trauzimmer in seinem Inneren, die vom Standesamt für Eheschließungen genutzt werden. Vom Hochzeitsturm hatte die Gruppe einen fantastischen Ausblick über die Stadt bis hin zum Frankfurter Flughafen und Taunus.  
Foto von Mirco Schmadel
 

Foto von Marlies Kayser
In der Nachbarschaft des Turmes steht die russische Kapelle.  Sie wurde auf russischer Erde erbaut. Auftraggeber für den Bau war Zar Nikolaus II., der bei Besuchen in der Heimat seiner Frau Alexandra, Prinzessin von Hessen-Darmstadt, nicht auf ein eigenes Gotteshaus verzichten wollte. Das Innere des Hauses ist mit Fresken bemalt und Gold verziert. Bis heute werden in der Kapelle orthodoxe Gottesdienste gefeiert.
 
Nach dem Rundgang kehrten die Besucher in einer Waldgaststätte nahe der Stadt ein, um sich bei deftigen Speisen und kühlen Getränken zu stärken. Einige nutzten das schöne Wetter für einen Spaziergang rund um den See. Andere unternahmen eine Fahrt mit dem Tretboot oder blieben im Biergarten.

Nach der Pause holte eine Städteführerin die Gruppe am Gasthof ab und fuhr mit ihr ins Zentrum der Stadt. Zuerst ging es zur so genannten „Waldspirale“, einem Gebäudekomplex, der vom Wiener Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfen und im Jahr 2000 fertig gestellt worden ist. In der Waldspirale sind 105 Wohnungen, ein Café, eine Bar und ein Kiosk untergebracht. Im Innenhof befinden sich ein Kinderspielplatz sowie ein künstlich angelegter See. Bäume und Stauden auf dem Dach, das ähnlich einer Rampe in U-Form schräg abfällt, verleihen dem Ganzen ein naturnahes Aussehen. Hinzu kommt, dass die Fassade in Beige- und Brauntönen gehalten sich sehr harmonisch in die Landschaft einfügt. Das Besondere ist, dass jedes von Hundertwasser geplante Gebäude fern jeder geraden Form verläuft. Eher verspielt wirkt das Aussehen, einzigartig und individuell, mit schiefen Säulen, Erkern und Loggien. Kein Fenster gleicht dem anderen. Jede Wohnung ist anders zugeschnitten. Gerade Linien sucht man hier vergebens.

Foto von Mirco Schmadel
 
Foto von Marlies Kayser
Im Anschluss an den Besuch der Waldspirale fuhr die Gruppe zur Ludwigskirche, der katholischen Hauptkirche der Stadt, die am Rand der Fußgängerzone liegt unweit des neuen Theaters. Die runde Kuppelkirche aus dem 19. Jahrhundert wird im Volksmund auch „Kääsglock“ genannt. Als Vorbild für den klassizistischen Bau diente das Pantheon in Rom. Den Bauplatz und einen Großteil des Geldes stellte Großherzog Ludwig I. zur Verfügung. Ihm zu Ehren wurde die Kirche nach dem heiligen Ludwig von Frankreich benannt. Das Gebäude wurde am 11. September 1944 bei einem Bombenangriff bis auf die Grundmauern zerstört und erst ab den 1950er Jahren wieder aufgebaut. Dabei wurde die ehemalige Holz-Bohlen-Konstruktion des Daches durch Stahl ersetzt. Im letzten Jahrzehnt wurde die Außenrenovierung abgeschlossen, vor acht Jahren war die Innenrenovierung fertig. Seitdem erscheint der Innenraum in Rot und Blau.

„Steht das Rot symbolisch für das Blut Christi oder erinnert es mit seiner züngelnden Struktur an Höllenflammen, in deren Mitte der Besucher sitzt?“, so fragten die Teilnehmer der Fahrt.
 
Hebt man die Augen Richtung Decke, erstrahlt die Kuppel in leuchtendem Blau. Ganz klar steht das für den Himmel, für das Jenseits oder Gottes Welt. Der Blick des Betrachters wird vom feurigen Rot nach oben gezogen, die Sehnsucht nach der Befreiung aus dem blutigen Diesseits oder dem Feuer der Hölle sowie die Lust auf himmlische Höhen wird geweckt. Ist der Blick Richtung Himmel gerichtet, sieht man in der Mitte das große runde Loch, das mit Glas überdacht die Symbole der Dreifaltigkeit enthält: die Taube für den heiligen Geist, das Auge für den Schöpfer, das Kreuz für den Heiland – alle drei verbunden in einem Dreieck. Das Dreieck steht für die Trinität, die Dreifaltigkeit, das sind die drei Personen Gottes: Vater, Sohn und heiliger Geist.
Foto von Marlies Kayser
 

Von Sankt Ludwig ging es zu Fuß durch die Fußgängerzone zum Luisenplatz. Dort steht der Lange Ludwig, eine Statue des Großherzogs Ludwigs I., die auf einer schmalen Säule die Mitte des Platzes ziert. Weiter führte der Weg zum Schloss am Marktplatz, wo heute ein Teil der Technischen Hochschule untergebracht ist. Ziel des Rundgangs war der Herrengarten, wo die Gruppe in einem Café einkehrte, um bei Kaffee und Kuchen die müden Füße ausruhen zu lassen. Wer Lust hatte, konnte noch den Rokokogarten besuchen. In ihm werden im Sommer Obst und Gemüse in Zierrabatten angebaut. Diese kann jedermann kostenlos ernten. Die diagonal zulaufenden Wege enden an Spring-brunnen, die im Sommer kräftig plätschern. Im Rokokogarten befinden sich auch das Prinz-Georg-Palais, genannt „Porzellanschlösschen“, weil es ein Porzellanmuseum enthält, sowie das Pretlack’sche Gartenhaus mit einer öffentlichen Bücherei. Mitten in der Stadt so viel Grün und Schönheit zu erleben, tat der landliebenden rheinhessischen Seele gut. Nach dem Besuch des Gartens steuerte die Gruppe der Heimat entgegen. In Alzey aß man in einer Weinschänke zu Abend.

Foto von Mirco Schmadel
Gemütlich saßen alle Teilnehmer an einer Tafel zusammen, genossen die Sonne und die Ruhe ringsum. Das Rauschen des Windes in den Bäumen und das Singen der Vögel ließen den Tag gemütlich ausklingen.


Im kommenden Jahr wird eine andere Stadt Ziel der Tagesfahrt sein, dann geht es nach Bonn an den Rhein. Dort werden die Teilnehmer die bönn’sche Küche und Lebensart genießen und die Innenstadt bei einer Stadtführung kennen lernen. A. K.