Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.

Liebe GD-Gemeinde,

den Predigttext für den heutigen Festtag
haben wir eben gesungen,

und jetzt hören Sie diesen Text gelesen

nach der Überlieferung des Matthäus, Kap. 5,
die Verse 2-10:

Und Jesus spricht: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind,
die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden
das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.“

Liebe GD-Gemeinde,
die Seligpreisungen Jesu sind wunderbare Bilder.

Sie sagen uns, wie Leben sein kann.

So könnte es aussehen: gelingendes Leben,
Frieden, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit in der Welt.

Solche Wünsche, solche Sehnsucht kennen viele.
Sie vermutlich auch.

Jesus beschreibt in seinen Seligpreisungen
ein Hoffnungsbild.

Und Menschen antworten auf dieses Bild.
Oft in ganz unterschiedlicher Weise.

Manche seufzen vielleicht:

„Ach, das wäre schön,
wenn Menschen endlich einander achten,
aufeinander Rücksicht nehmen,

sich gegenseitig respektieren,
versuchen, einander zu verstehen,
einander zu lieben.“

Denn oft erleben wir es anders:

Da wird ein Mann in einer U- Bahnstation
zu Tode geprügelt,

weil versucht hat,
andere vor Gewaltbereiten zu beschützen,

dafür bekommt er selbst Gewalt angetan.

Menschen gehen an ihm vorbei,
mischen sich nicht ein, wollen nicht helfen.

Deshalb sagen manche:

„Jesu Seligpreisungen sind utopische Bilder,
Luftschlösser, Träume, Phantasie,
nicht zu erreichende Ideale.“

Andere lassen sich von so einem Urteil nur allzu schnell anstecken,

sie legen die Hände in den Schoß, schauen weg,
gehen vorbei, schweigen.

Viele von uns wissen es –
oft haben wir es selbst schon erlebt:

Das Recht des Stärkeren gilt auch in vielen Bereichen unseres Lebens:
Manager streichen Abfindungen ein,
trotz ihrer Fehler,

dem kleinen Angestellten wird, in Zeiten der Not, obwohl er rechtschaffen war,
gnadenlos gekündigt.

Ungerechtigkeit, Egoismus, Konkurrenzkampf,
Unterdrückung.

Nicht nur fern ab von uns.

Unrecht und Gewalt geschehen auch
auf unserem Schulhof, in Familien,
zwischen Nachbarn, Freunden, Vereinskameraden.

Die Seligpreisungen Jesu geben dagegen
ein anderes Bild.

Und dieses Gegenbildes wegen sprechen sie uns an,
Jesu Worte:

Worte, die aufrütteln,

die die Welt auf den Kopf stellen,
und dann wieder auf die Füße.

Worte, die sagen:

„Lasst die Welt nicht wie sie ist,
lasst sie nicht in Ungerechtigkeit und Unfrieden.

Steht dem entgegen!
Tretet ein für Gottes Reich,

verschafft Gottes Willen Geltung:

Sucht Frieden für die Welt,
Gerechtigkeit, in der einer den anderen achtet,

aus Liebe zu Gott, zu seinen Mitmenschen
und zu sich selbst!“

Manche sagen:

„Das ist unmöglich,
da kommen wir ja selbst unter die Räder!

Der Mann in der U-Bahnstation hat das erlebt.
Er hat seinen Widerstand mit dem Leben bezahlt.“

Andere zeigen: Es geht!
Martin Luther zum Beispiel:

Sein Vorstoß gegen Fehler,
die innerhalb der Kirche passiert sind,
haben die Welt verändert:

eine Erneuerung der Kirche,
eine Erneuerung menschlichen Glaubens
und Denkens.

Wenn auch – was Luther nie beabsichtigt hat –
Christen sich voneinander entfernt haben,
die Kirche gespalten.

Martin Luther wollte eine innere Reform.

Doch es gab und gibt auch jene,
die nichts verändern möchten.

Und die hat Luther nicht bewegt.
Also kam es zur Trennung.

Hätte Luther sich von den Mächtigen seiner Zeit,
von Kaiser und Papst einschüchtern lassen,

hätte er auf dem Reichstag zu Worms seine Thesen,
seine innersten Überzeugungen,
seine Kritik an der Kirche
im Feuer verbrannt,

würden wir heute vermutlich Ablassbriefe kaufen,
hätten wir Angst vor einem Menschen fernen,
einem mit der Hölle strafenden Gott.

Luther aber hat Menschen verändert,
hat zu seinem Glauben gestanden,
er glaubte an einen gnädigen Gott.

Auch die Kirchenoberen in Rom
haben sich letztendlich verändert:

Jahre später haben sie auf dem Kirchenkonzil in Trient
innere Reformen zugelassen:

Laienkelch bei der Eucharistie,
Gottesdienste in Volkssprache, also nicht in Latein.

Schade, dass sie heute hinter diese Reform wieder zurückgegangen sind!

Martin Luther aber hat Menschen verändert.
Andererseits, auch Luther machte Fehler:
Er war ein Kind seiner Zeit.

Beim Aufstand der Bauern
gegen die Unterdrückung im Frondienst
hat er zu den Fronherren,
also zu den Unterdrückern gehalten.

„Wider die räuberischen Rotten der Bauern“
hat er geschrieben und gepredigt.

Luther hat gesehen,
wie blutig und grausam
der Aufstand der Bauern gewesen ist,

als die um ihre Freiheit gekämpft haben,
und er hat sich davon distanziert –
zu heftig distanziert,

er hat für die blutige Vernichtung der aufständischen Bauern votiert.

Luther hat auch die Verfolgung der Juden
und die Hexenprozesse bejaht.

Auch Luther machte Fehler.

So sehen und beurteilen wir das
aus unserer heutigen Position,

mit unserem heutigen aufgeklärten Wissen,
unserer weiterentwickelten Weltsicht.

Und doch finde ich es auch irgendwie beruhigend
zu sehen:

Selbst ein Martin Luther dachte und handelte manchmal falsch.

Der Kirchenvater Augustin hat einmal
zu einem jungen Mönch gesagt,

der zu ihm kam, um zu beichten
und der wegen all seiner Fehler,
seiner mangelhaften Frömmigkeit
zutiefst unglücklich war,

zu dem hat Augustin gesagt:
„Mein Sohn, sündige tapfer!“

Und was er damit gemeint hat, ist:

Es liegt in der Natur des Menschen,
dass wir Fehler machen,
das fing schon bei Adam und Eva an.

Wichtiger aber als unsere Fehler ist,
dass wir weiter versuchen,
gut zu sein und fromm zu handeln,

dass wir weiterhin dran bleiben,
Gottes Willen zu suchen und zu achten.

Augustin hat zu seinem Ordensbruder damals gesagt:

„Du kannst und du wirst Fehler machen.
Bleib dennoch deinem Glauben treu!
Glaub daran, dass Gott dir,
so du reinen Herzens bist, vergibt.
Sündige tapfer!“

Diesen Gedanken des Kirchenvaters Augustin
möchte ich heute vor allem Ihnen, liebe Kirchenvorstehende,
als kleine Ermutigung mit auf den Weg geben:

Auch in der Ausübung des Dienstes als Kirchenvorstand
können Menschen Fehler machen,
falsche Entscheidungen treffen
oder etwas, was wichtig wäre zu tun, unterlassen.

Auch zu Ihnen sagt der Kirchenvater Augustin heute:

„Sündige tapfer!
Bleib deinem Glauben treu,
glaub daran, dass Gott dir,
so du reinen Herzens bist, vergibt.“

Dieser Gedanke mag Ihnen eine Erleichterung sein
beim Tragen der Würde und des Anspruchs,
die Sie heute mit Ihrem Amt auf sich nehmen,

und von dem ich hoffe,
dass es nicht allzu schwer auf Ihnen lastet.

Erinnern Sie sich daran:

Christus hat auch unsere Fehler und Schwächen
auf sich genommen,
er trägt sie an seinem Kreuz.

Alles, was uns belastet,
legen wir Christen an diesem Kreuz ab.

An diesem Kreuz befreit Gott Menschen von Schuld,
aus Liebe zu uns Menschen.

Das ist das Evangelium Jesu Christi: Gott ist gnädig.
Nach diesem Evangelium lasst uns leben!
Das heißt: evangelisch sein.

Denn wie heißt es in der Seligpreisung?

„Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen;
denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen
verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.