Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe GD-Gemeinde,
„Wer bin ich?“ – so fragte ein Mann
vor etwa 3000 Jahren in einem fernen Land.
„Wer bin ich?“ –
so fragen sich viele Menschen auch heute.
Der Mann, der vor 3000 Jahren
diese Frage gestellt hat, ist Mose.
Von ihm handelt unser heutiger Predigttext
Dieser Text steht im 2. Buch Mose, Kap. 3, V. 1-14.
Da heißt es:
Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch.
Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: „Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum
der Busch nicht verbrennt.“ Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn
aus dem Busch und sprach: „Mose, Mose!“
Er antwortete: „Hier bin ich.“ Gott sprach: „Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!“ Und er sprach weiter: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Und der HERR sprach:
„Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin hernieder gefahren,
dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie
herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites
Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt,
in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Weil denn nun
das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten,
aus Ägypten führst.“ Mose sprach zu Gott: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“ Er sprach: „Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.“ Mose sprach zu Gott: „Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: ‚Wie ist sein Name?’ Was soll ich ihnen sagen?“ Gott sprach zu Mose: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Und sprach: „So sollst du zu den Israeliten sagen:
»Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.“
Gott, segne an uns dein Wort.
Liebe GD-Gemeinde,
„Wer bin ich?“ fragte Mose.
Einige Anhaltspunkte aus seinem Leben kennen wir :
Mose wurde als Sohn einer hebräischen Sklavin
in Ägypten geboren.
Er war Ausländer, Gastarbeiter, ein Fremder.
In Ägypten leisteten die Hebräer wichtige Frohnarbeit.
Sie dienten beim Bau der Pyramiden.
Der Pharao wollte nur eine begrenzte Anzahl fremdländischer Menschen in seinem Land.
Er fürchtete, die Gastarbeiter
könnten die Einheimischen übervölkern.
Darum ordnete er an,
alle männlichen Neugeborenen der Hebräer zu töten.
Mose war also seit seiner Geburt
ein vom Tod Bedrohter.
Kommt Ihnen die Geschichte mit den Ausländern bekannt vor?
Furcht vor Überfremdung gibt es auch
in unserem Land.
Auch bei uns fürchten Menschen,
von Fremdländischen regiert zu werden.
Solche Ängste werden im Wahlkampf
(nicht nur von rechtsextremen Parteien) geschürt.
Menschen mit Furcht können besser manipuliert, gesteuert, regiert werden.
Angst vor Überfremdung, vor Übervölkerung,
vor Anderslebenden, Andersdenkenden, Andersstämmigen kann Hass und Gewalt auslösen.
Solche Angst zieht oft Unrecht nach sich.
Vor 70 Jahren hatte das Unrechtsregime der NSDAP
Deutschland mit seiner Angst vor allem,
was fremd und anders ist,
in die Katastrophe gestürzt.
Juden, Behinderte, Zigeuner, Schwule,
Sozialisten, Kommunisten,
Menschen anderer Meinung,
anderer Gesinnung
erlitten den Holocaust.
Israel erlitt den Beginn seines Holocausts
schon früher.
Er begann in Ägypten zur Zeit des Mose.
Auf Anordnung des Pharao
wurden alle männlichen Neugeborenen der Hebräer
im Nil ertränkt.
Eine extreme Form der Geburtenkontrolle.
Mose, der ungewollte Fremde.
Die Mutter des Mose
wollte ihr Kind nicht töten lassen.
Sie hat es zunächst in ihrem Haus versteckt.
Dann aber, als die Situation für Mutter und Kind
zu gefährlich war,
hat sie ihren Sohn zum Nil gebracht,
nicht, um ihn dort ertränken zu lassen,
sie hat ihn dort am Ufer ausgesetzt.
Die meisten werden diese Geschichte kennen.
Sie wissen vermutlich auch, wie sie weitergeht:
Eine ägyptische Prinzessin kommt zum Nil.
Sie will im Fluss baden.
Am Ufer findet sie das Kind.
Sie nimmt es zu sich und zieht es bei sich auf.
Von da an lebte Mose am Hof des Pharao,
trug vornehme Kleider,
aß dieselben Speisen wie alle anderen am Hof.
Mose, der Adoptivsohn.
Der Adoptierte wusste, dass er fremd war,
dass er anders war als die anderen am Hof:
kein Ägypter,
und doch gekleidet wie einer von ihnen,
Sohn einer hebräischen Sklavin,
und doch Prinz im königlichen Schloss.
Wie all die anderen Prinzen
musste auch Mose nicht arbeiten.
Dafür ging er zu den Baustellen des Pharao,
hat den hebräischen Landsleuten bei deren Arbeit zugeschaut.
Irgendwie fühlte er sich mit ihnen verbunden.
Eines Tages sah er, wie ein ägyptischer Aufseher einen hebräischen Sklaven schlug.
Blind vor Zorn erschlug Mose den Aufseher.
Mose, der Mörder.
Den Leichnam verscharrte er im Sand.
Doch die Tat wurde dem Pharao bekannt,
und er verurteilte ihn zum Tode.
Mose, der Ausgestoßene.
Mose musste fliehen.
Er floh in das Land Midian.
Dort fand er Asyl.
In Midian traf er die Töchter eines Priesters.
Eine von ihnen nahm er zur Frau.
Mose, der Ehemann.
Von da an lebt Mose im Haus des Priesters,
bekam Nahrung, Kleidung, Arbeit und Anweisungen
von seinem Schwiegervater.
Mose, der Schwiegersohn, der Schafhirte.
Sein Weideland war die Ebene
am Fuß des Berges Horeb, dem Gottesberg.
Dorthin führte er die Tiere seines Schwiegervaters.
Das tat er auch an jenem Tag,
an dem Gott sich ihm offenbarte.
Ein Dornbusch, der brennt,
ist in der Steppe nicht ungewöhnlich.
Dass ein Gestrüpp von der Sonne versenkt
vertrocknet und Feuer fängt,
gehörte zum Alltag des Mose.
Das Außergewöhnliche war,
dass ein Engel des Herrn im Feuer erschien.
Besonders war auch,
dass ein Dornbusch nicht verbrennt.
Mose wurde neugierig.
Er wollte sich das Besondere aus der Nähe ansehen,
das Außeralltägliche genauer betrachten.
„Als aber der HERR sah, dass er hinging,
um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach:
„Mose, Mose!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“
Gott sprach: „Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe
von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst,
ist heiliges Land!“ Und er sprach weiter: „Ich bin
der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
Gott begegnete Mose in dessen Alltag.
Und Gott hat eine Botschaft für ihn.
Mose erfährt, was Gott mit ihm vorhat,
sein Leben bekommt einen neuen Sinn:
„Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin,
ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“
Mose ist entsetzt.
Die Aufgabe, die Gott ihm stellt,
scheint zu groß für ihn.
„Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe
und führe die Israeliten aus Ägypten?“
Wer bin ich?
Sohn einer Sklavin, adoptierter Prinz,
Mörder, Flüchtling, Asylsuchender, Fremder,
Schwiegersohn eines Priesters, Ehemann, Hirte.
Mose ist überfordert.
Selbstzweifel überfallen ihn.
Was wird geschehen, wenn er nach Ägypten geht?
Der Pharao erinnert sich an das Todesurteil
und wird ihn töten.
Mose ist mutlos.
Und eine zweite Frage drängt sich ihm auf:
„Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme
und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden:
‚Wie ist sein Name?’ Was soll ich ihnen sagen?“
Gott, wer bist du?
Und Gott antwortet:
„Ich werde sein, der ich sein werde.“
Das ist Gottes Name,
rätselhaft und doch offenbar,
erschienen in Feuer und Flamme,
in Gestalt eines Engels
und doch unsichtbar,
einer, der redet, der sieht und hört,
der Leid erkennt und ernst nimmt,
der sich auf Augenhöhe begibt mit den Menschen,
der sich anrühren lässt von der Not seiner Kinder,
der rettet und befreit, begleitet und anführt.
Gott ist einer, der handelt.
Inmitten des Alltags, im Leben eines Hirten,
eines Asylanten, eines Flüchtlings, eines Mörders,
eines Adoptierten, eines Sklaven greift Gott ein:
„…so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden,
damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“
Mose bekommt eine neue Chance.
Eine neue Aufgabe wartet auf ihn.
Jetzt ist er Gottes Mann,
einer, dem Gott sich offenbart
mit seinem Namen, seiner Botschaft
und seinem Auftrag für ihn.
Gott gibt Mose ein neues Leben,
eine neue Identität.
Mose fällt es nicht leicht,
die neue Identität, den Auftrag Gottes
für sich anzunehmen.
Wer gibt schon gern Kontrolle ab,
lässt sich fremd bestimmen,
legt sein Leben in Gottes Hand?
Viele von uns wissen aus eigener Erfahrung
wie schwer es sein kann,
Veränderungen des Lebens,
die wir nicht gewollt haben,
hinzunehmen, sie anzunehmen
und zu lernen, damit zu leben.
Da geht es der Frau, die ins Seniorenheim kommt,
nicht anders als Mose.
Manche Veränderungen, vor die das Leben uns stellt,
scheinen untragbar zu sein,
eine Überforderung für uns,
sie können die Seele belasten,
machen das Leben schwer.
Mose hat noch die Chance zu wählen.
Er kann den Auftrag Gottes ablehnen
sich umdrehen und weggehen,
zurückkehren zu seinem Schwiegervater, seiner Frau, seinen Schafen, seinem Leben.
Mose zögert, aber er bleibt vor Gott stehen.
Vielleicht spürt Mose auch:
den Auftrag Gottes abzulehnen, wäre ein Fehler.
Er ahnt: Gott möchte ihm eine Chance geben.
Und Gott belohnt seinen Mut und seine Stärke.
Gott sagt zu Mose: „Ich werde mit dir sein.“
Ich werde dich begleiten und führen.
Einige denken jetzt vielleicht:
Das ist ja eine schöne Geschichte:
Gott begegnet Mose in seinem Alltag.
Wann ist Gott je mir so begegnet?
Ich habe noch keinen brennenden Dornbusch
mit einem Engel darin gesehen.
In der Geschichte des Mose wird dem Fremden,
dem Flüchtling, dem Mörder
eine neue Chance, eine neue Identität,
ein neues Leben gegeben.
Aus dem Schafhüter wird ein Menschenhirte,
aus dem Mörder ein Gottesmann,
aus dem Asylsuchenden, dem Fremden,
dem Flüchtling ein Heimkehrer.
Er darf ein neues Selbstbewusstsein finden,
eine neue Perspektive.
Wann hat Gott jemals an mir so gehandelt?
Liebe GD-Gemeinde,
ich weiß nicht, wie Gott Ihnen begegnet,
welche persönlichen Erlebnisse
Sie mit Gott verbinden.
Ich denke aber, dass Gott Ihnen begegnet.
Auch wenn wir ihn nicht erkennen.
Manchmal kommt Gott so ganz anders daher,
als wir es von ihm erwarten.
Es muss nicht immer der brennende Dornbusch sein
oder der Engel in Feuer und Flamme.
Gott begegnet uns vielmehr
von Angesicht zu Angesicht
in der Gestalt eines Menschen.
In Jesus Christus kommt Gott uns nahe,
jedem und jeder von uns.
In ihm ist Gott Mensch geworden,
damit Menschen zu Gott finden
und sich ihm zuwenden.
Wer von Jesus hört,
in dem wirkt Gott wie Feuer und Flamme,
in dem ist Gottes Geist,
der in den Herzen der Menschen brennt,
sie aber nicht verbrennt.
Durch Christus haben wir eine neue Identität,
eine neue Chance, ein neues Leben als Christen:
Wir dürfen Kinder Gottes sein
und Geschwister Jesu Christi.
Durch ihn hat Gott uns seinen Auftrag gegeben.
Und dieser Auftrag lautet:
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch
wieder messen.“ (Lukas 6,36 ff.)
Liebe GD-Gemeinde,
es gibt ein Sprichwort, das sagt:
An seinen Taten wird der Mensch erkannt.
Wir können dieses Sprichwoirt noch weiter fassen:
An seinen Taten können wir Gott erkennen.
In der Geschichte des Mose offenbart Gott sich
einem Außenseiter, einem Fremden, einem Mörder,
dem Asyl suchenden Flüchtling, dem Adoptivsohn, dem Sohn einer Sklavin, dem Ehemann,
Schwiegersohn, Hirten.
Mitten in dessen Alltag kommt Gott ihm nahe.
Gott sieht, hört, erkennt,
lässt sich anrühren vom Leid der Menschen,
begibt sich auf Augenhöhe mit ihnen,
spricht, redet an, rettet, befreit, führt, begleitet.
Gottes Handeln aus Liebe –
das kann der Maßstab für unser Handeln werden.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“, sagt Jesus.
Und an anderer Stelle sagt er:
„Lebt in Liebe zu Gott, zu den Mitmenschen
und zu euch selbst.“
Gottes Liebe ist der Vorschuss,
den wir von Gott empfangen.
Was sollen wir anderes tun,
als diesem Vorschuss entsprechend zu antworten.
„Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe
und führe die Israeliten aus Ägypten?“ – fragt Mose.
Wer bin ich?
Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig.
Es kann nur eine geben.
Und die ist eine sichere Zusage an uns Menschen:
„Ich bin, du bist ein von Gott geliebtes Kind!“
Lasst uns in dieser Liebe entsprechend leben!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.