Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
ich habe tatsächlich noch ein paar Raketen ergattert;
war dafür heute – extra noch – im Supermarkt.
Sie vielleicht auch.
Im Supermarkt war es so voll, dass man kaum durchkam.
Die Menschen kaufen, als gäbe es morgen nichts mehr;
als hätten sie Angst, zu kurz zu kommen, irgendwas zu verpassen.
Und dabei wirken manche aggressiv.
Ist Ihnen das auch aufgefallen?
Schon vor Weihnachten:
Da gab es Streit um einen Parkplatz direkt vor der Supermarkttür.
Ist eigentlich Parken für Leute mit Kinderwagen.
Hat aber die beiden, die sich darum gestritten haben, nicht interessiert.
Dabei waren weiter hinten auf dem Platz noch einige Parzellen frei.
Muss man aber ein paar Schritte gehen.
Gehen will heute kaum jemand mehr.
Deshalb werden so viele Kinder – jeden Tag –
mit dem Auto in die Schule gefahren.
Auch auf den Schulhöfen hat sich der Umgang verändert.
Das nehme ich seit einigen Jahren wahr;
auch die Lehrerinnen.
Gut: Schlägereien gab es schon früher.
Da wurde gerauft und gestritten,
manchmal auch mit der Faust argumentiert.
Wenn einer aber am Boden lag, war die Rauferei zu Ende.
Heute treten einige noch mit den Füßen nach,
sogar, wenn einer am Boden liegt.
Gerne auch im Pulk.
Da fühlt man sich besonders kräftig,
ist die Bereitschaft zur Gewalt noch größer.
Da stachelt man sich gegenseitig an.
Lehrer und andere Schüler kommen hinzu,
können – wenn es gut geht – den Streit deeskalieren.
Oft müssen sie die im Pulk einzeln von dem, der unten liegt, packen und mit Nachdruck wegziehen.
Die Hemmschwelle für Aggressionen
scheint merklich gesunken –
ob im Supermarkt, auf einem Parkplatz oder in der Schule.
Und sicher liegt die Verrohung im Umgang miteinander
auch daran, wie Personen der Öffentlichkeit,
Politiker zum Beispiel, auftreten und wie sie reden.
Im September dieses Jahres berichteten Medien
wie der Tagesspiegel und der Bayrische Rundfunk,
dass die politische Sprache zusehends rauer wird.
Mit dem Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen
hat ein anderer Ton in die politische Kommunikation Einzug gehalten.
Wenn zum Beispiel die AFD-Chefin Alice Weidel
im Mai dieses Jahres vor dem deutschen Bundestag
Muslime – pauschal als „Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“
bezeichnet, dann steckt dahinter eine Taktik:
Man will gezielt Tabus verletzen,
damit sich die Öffentlichkeit schrittweise an diesen Ton gewöhnt,
damit Tabuverletzungen gesellschaftsfähig werden.
Das beobachten Politikwissenschaftler nicht nur bei der AFD.
Auch in anderen Parteien hat sich der Diskurs verändert,
ist die Sprache härter, polemischer geworden.
Die Kommunikation ist nach rechts gerückt.
Und das nicht nur in unserem Land.
Weltweit gibt es diese Tendenz, nicht nur in der Sprache,
auch im Verhalten der Wählerinnen und Wähler:
In Lettland, Ungarn, Polen, Italien, Mexiko, den USA
regieren nationalistische Populisten das Land,
schotten sich ab gegen alles Fremde,
genauer gesagt gegen alles, was sie als fremd
und nicht zu ihrer Kultur dazugehörig definieren,
bauen Mauern auf, errichten Zäune, schüren Vorurteile,
tun alles, was dem eigenen Machterhalt dient.
Angesichts solcher Entwicklungen – auf dem Schulhof,
zwischen Erwachsenen auf einem Parkplatz,
in der Politik, in unserem Land, international,
angesichts der Verrohung im Umgang,
der Aggressionen, der Gewalt, dem rauen Ton in der Sprache,
auch angesichts der Ichsucht vieler
tönt heute, an diesem letzten Tag des zu Ende gehenden Kalenderjahres
ein anderer Ruf aus einer anderen Welt,
einer Welt, auf die viele Menschen bis heute warten.
Dieser Ruf schallte zum ersten Mal
aus dem Mund des Propheten Jesaja.
Wir lesen ihn – aus dem nach ihm benannten Buch –
in Kapitel 51.
Darin spricht Gott:
„Merke auf mich, mein Volk; hört mich, meine Leute! Denn Weisung wird von mir ausgehen; und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen. Denn meine Gerechtigkeit ist nahe; mein Heil tritt hervor; und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm.
Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten
auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen;
und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahin-sterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich,
und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.“
Gott, segne an uns dein Wort.
Liebe Gemeinde,
es sind starke Worte, die aus dem Mund dieses Propheten tönen.
Recht, Gerechtigkeit und Heil werden angekündigt:
„Denn Weisung wird von mir ausgehen;
und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen.
Denn meine Gerechtigkeit ist nahe; mein Heil tritt hervor.“
Heil, Gerechtigkeit, Recht für immer –
das ist Gottes Zusage, sein Versprechen an die Völker.
Das ist es, wonach viele sich sehnen, worauf viele hoffen,
vor allem die, deren Recht mit Füßen getreten wird.
Ich denke an die Menschenmassen aus Mittelamerika,
die an Fahrbahnrändern der Landstraßen
zu Fuß unterwegs sind – immer Richtung Norden,
in der Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA;
und die nun seit Wochen festsitzen an der mexikanischen Grenze,
weil das reiche Land jenseits des Zauns sie nicht haben will,
weder aufnehmen, noch helfen.
Keine Zelte, keine Schlafsäcke,
keine Medikamente, keine sanitäre Einrichtung,
weder Essen noch sauberes Wasser oder Kleidung
hat der Chef der USA diesen Menschen geschickt,
sondern bewaffnetes Militär.
Das steht nun den Zivilisten an der Grenze gegenüber.
Noch gab es keinen Schießbefehl.
Mir fallen die Rohinyga ein,
eine ethnische Minderheit im Land Burma/Myanmar,
die von ihren Nachbarn – radikalen Buddhisten,
drangsaliert, verfolgt, getötet werden;
die zu Hunderttausenden geflohen sind
ins Nachbarland Bangladesch;
die dort unter ärmsten Bedingungen hausen,
und die niemand haben will.
Was für eine Zukunft haben diese Menschen?
Ich denke an die Zivilbevölkerung im Jemen,
die über drei Jahre einem brutalen Krieg
zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
auf ihrem Boden ausgeliefert waren,
durch den viele Jemeniten getötet wurden.
Andere sind derweil verhungert,
an Epedemien erkrankt, verstorben.
Die Tagesschau titelte im November dieses Jahres,
es sei die größte humanitäre Katatstrophe der Welt.
Erst durch den brutalen Mord
an dem systemkritischen Journalisten Khashoggi
wurden Friedensgespräche möglich,
weil die Welt auf die Situation im Jemen aufmerksam geworden ist,
weil die Vereinigten Staaten mit ihren Sanktionen gegen Saudi-Arabien keine Waffen mehr liefern;
so dass auch für den Krieg im Jemen der Nachschub fehlt.
Ein erzwungener Waffenstillstand –
ausgelöst durch den Foltertod eines einzelnen.
Wir könnten diese Liste noch fortsetzen,
ihr Schicksale hinzufügen,
die vom Ränkespiel der Mächtigen abhängig sind,
deren Lebensbedingungen verfinstert,
deren Zukunftschancen im Dunkeln liegen;
auch weil sie in einem anderen Land geboren wurden als wir.
Zu all diesen Menschen spricht Gott:
„Weisung wird von mir ausgehen; und mein Recht
will ich gar bald zum Licht der Völker machen. Denn meine Gerechtigkeit ist nahe; mein Heil tritt hervor; und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm.“
Die Inseln, liebe Gemeinde, ist eine Metapher.
Sie bezeichnet die äußersten Enden der Erde.
Überall führt Gott Gerechtigkeit herbei.
Recht und Heil für immer.
Das ist ein schönes Bild.
Und es sind mächtige Worte.
Damit sie aber wahr werden, muss vorher eines sein:
von Gott muss Gericht gehalten werden.
Hier in diesem Text kündigt er die Endzeit an:
„meine Arme werden die Völker richten.“
Der Arm, das ist der Inbegriff für Stärke,
für Macht, Gewalt und Durchsetzungskraft.
Mächtig und gewaltig – so richtet Gott die Völker.
Himmel und Erde werden zerstört;
die Welt und alles, was auf ihr lebt, geht zu Ende.
„Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen; und
die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben.“
Liebe Schwestern und Brüder,
wer schon mal eine Mücke zerschlagen hat,
weiß, wie schnell das geht:
Wie schnell ist ein Leben beendet.
Wer die Mücke verschont, der weiß erst recht:
So unwiederbringlich, einzigartig, kostbar ist es.
Bildlich gesprochen sind wir nur Staubkörner im All.
Sie haben sicher die Bilder
des Astronauten Alexander Gerst dieses Jahr gesehen.
Von Mai bis Dezember war er auf einer Raumstation.
Von dort aus hat er immer wieder faszinierende Fotos
zur Erde geschickt.
Auf vielen dieser Fotos ist die Erde zu sehen –
schön und vertraut, vor allem in ihrer häufigsten Farbe: Blau.
Das Land darauf schimmert Grün und Braun.
In diesem Jahr eher Braun.
Vielerorts blieb ja der Regen aus, wurde es spürbar trocken.
Wenn wir solche Fotos der Erde sehen,
wie Alexander Gerst sie gemacht hat,
erblicken wir um sie herum den dunklen Raum.
Und unweigerlich drängt sich mir eine Erkenntnis auf:
Wie klein und gering ist dieser Planet,
wie winzig und unbedeutend der Mensch im unendlichen All.
Wann immer ich solche Bilder des Univerums sehe,
komme ich mir eigenartig fremd darin vor,
fühle ich mich klein, schutzlos und ausgeliefert.
Und wie viel mächtiger glaube ich Gott,
der das alles geschaffen hat: Himmel, Sterne, Planeten.
Und eine Frage steigt in mir auf:
Sind wir, bin ich nicht nur eine winzig kleine Randnotiz
im Lauf einer Milliarden Jahre andauernden Geschichte?
Ja, das sind wir.
Und doch, so klein und unbedeutend wir sind:
Gott kommt auf uns zu und redet uns an
mit Worten des Jesaja und anderer Boten,
seiner Propheten, Engel und Gottes Sohn.
So klein und unbedeutend wir sind:
Gott kümmert sich um uns.
Gott sorgt für jedes einzelne Wesen.
Jedes kleine Leben ist ihm wichtig.
Alles, was er erschaffen hat, liegt ihm am Herz.
Es ist nur mit Liebe zu erklären,
dass wir noch nicht gar aus sind,
dass Gott uns nicht aufgegeben hat,
dass er uns nicht fallen lässt –
trotz allem Unrecht, aller Ungerechtigkeit und Schuld,
trotz all der Zerstörung,
die wir seiner Erde und den Wesen auf ihr zumuten.
Es ist nur mit Liebe zu erklären,
dass Gott selbst in seinem Sohn zur Welt gekommen ist,
damit alle, die auf ihn trauen, gerettet werden.
Das Licht, von dem Jesaja spricht,
das Licht der Völker,
ich kann es nicht anders sehen
als durch meine christliche Brille.
Mit dieser Brille lese ich diesen Text.
Und ich kann im Licht der Völker, wie Jesaja es ankündigt,
nichts anderes sehen und glauben
als Jesus Christus, Gottes Sohn.
In ihm kommt Gott zur Welt,
ist er uns Menschen nahe,
damit wir nahe bei ihm sind.
Gott, der uns in Jesus Christus begegnet,
er lehrt uns seine Liebe und seine Menschenfreundlichkeit,
damit wir noch eine Chance zur Umkehr haben.
Gottes Geduld mit uns hat noch kein Ende.
Weil es eine Zeit zur Umkehr gibt, endet Gottes Wort an uns
gesprochen durch den Mund dieses Propheten
nicht mit Gewalt, Zerstörung und Dunkelheit,
sondern mit Recht und Gerechtigkeit, Licht und Heil:
„Aber mein Heil bleibt ewiglich,
und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.“,
spricht Gott.
Liebe Gemeinde,
wenn Sie heute Nacht – pünktlich zum Jahreswechsel –
in den Himmel sehen,
dann wird die ein oder andere Rakte darin aufsteigen, explodieren und verglühen.
Wenn Sie so eine Rakete sehen, dann denken Sie daran:
So schnell wie eine Rakete zum Himmel steigt, blitzt und verglüht,
so wird der Aufstieg und Fall derer sein,
die heute an den Hebeln der Macht ziehen.
Und so sicher wie die Rakete zurück muss zur Erde,
werden die Mächtigen – eines Tages – an Einfluss verlieren.
Hochmut kommt vor dem Fall.
So gewiss wie der Sinkflug der Rakete
wird menschliche Macht zu Ende gehen.
Ob sie nun Trump heißen oder Kim,
Erdogan, Orban oder Putin.
Bei Gott haben sie nicht das letzte Wort.
Mächtig und ewig ist Gott allein,
der Herr des Himmels und der Erde,
der das Weltall geschaffen hat,
die Sonnen und Planeten.
Ich finde es gut, am letzten Abend des Jahres
durch die Worte des Propheten Jesaja
an diese Gewissheit erinnert zu werden.
Es ist doch ermutigend und tröstlich,
diese Worte zu hören.
Vielleicht werden wir aber auch bei diesem Jahreswechsel
gar nicht so viele Raketen am Himmel sehen,
weil manche der Umwelt und den Tieren zuliebe
aufs Schießen verzichten
und weil sie anstatt in Böller lieber in Brot für die Welt investieren.
Spaß kann man haben auch ohne Raketen
und ohne die Atmosphäre mit Feinstaub zu überziehen.
Deshalb kommen diese Rakten, die ich gekauft habe, auch nicht zum Einsatz, sondern in den Keller.
Oder ich bringe sie im neuen Jahr zurück in den Supermarkt.
Vielleicht sehen wir uns dort dann auf dem Parkplatz wieder.
Nehmen Sie sich, anstatt zu böllern,
lieber Zeit für Ihre Freunde und Familie.
Begehen Sie miteinander das verbleibende Jahr.
Und kommen Sie wohlbehütet ins neue.
Und üben Sie im Dialog miteinanderden weniger rauen Ton.
Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein
und sich trotzdem respektieren.
Freundliche und friedliche Kommunikation fängt bei uns an,
in unseren Häusern, mit unseren Nächsten.
Vielleicht können wir im respektvollen Umgang miteinander
den Mächtigen darin sogar ein Vorbild geben.
Und vielleicht – wenn alles gut geht –
nehmen sie sich uns als Vorbild mal zu Herzen.
So mit Gott ein Wunder geschieht!
Kommen Sie gut ins neue Jahr!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.