Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
 
Liebe Gemeinde,
 
viele sind dieser Tage in Urlaub – einige auch schon wieder daheim.
Ich möchte Sie heute auf eine Gedankenreise einladen.
Stellen Sie sich vor:
Wir befinden uns in einer Hafenstadt am griechischen Mittelmeer,
also nicht Nizza, nicht Monte Carlo.
So feudal ist es nicht.
 
Nein, in dem Hafen, in dem wir sind, legen Lastschiffe an, alte Holzkähne und dicke Segelschoner.
Müde dümpeln sie auf dem Wasser –
mit Stricken fest vertäut am Ufer.
Unweit davon preisen Fischer ihre Fänge an.
Ein modriger Geruch liegt in der Luft:
Es riecht nach Brackwasser, Algen, Seetang,
nach Urin und gammeligem Fisch.
Möven ziehen darüber ihre Kreise.
 
Manche Lastkähne haben Ruder,
die seitlich rechts und links aus dem Bauch des Schiffes ragen.
Beim Anlanden wurden sie eingezogen,
damit sie keinen Schaden nehmen an der Kaimauer.
An jedem Ruder sitzen Männer – oft mehrere nebeneinander,
grobschlächtig, braungebrannt von der Sonne,
müde von der Arbeit, dösend und wartend darauf,
dass Ware vom Schiff ausgeladen und andere eingeladen wird.
Die meisten Männer sind an den Füßen gefesselt
oder tragen eine Kette um den Hals.
Es sind Sklaven, die für ihre Besitzer rudern.
Andere Männer sind derweil damit beschäftigt,
schwere Kisten oder Säcke auf den Schultern zu tragen,
balancieren auf schmalen Stegen zwischen Ufer und Schiff,
befördern Lasten an Bord und an Land.
Auch sie sind Sklaven.
Wieder andere stehen daneben mit einer Peitsche oder einem Stock in der Hand.
Die Aufseher sorgen dafür, dass alles seine Ordnung hat,
dass niemand aus der Reihe tanzt,
das Be- und Entladen der Kähne zügig vorangeht.
 
Wo viel ist, da ist viel zu holen.
Hungrige Augen schauen Ufer und Schiffe ab.
Gierige Hände greifen nach allem, was nicht bewacht werden kann.
Zerlumpte Gestalten, Bettler und Diebe, stehen im Halbdunkel der Hauseingänge und Tavernen,
aus denen ab und an ein trunkener Seemann wankt.
In der Taverne hat er seinen Sold vielleicht beim Würfelspiel verloren.
Huren, – aber auch Lustknaben – bieten an Straßenecken ihre Dienste an.
Wer es sich leisten kann, besucht ein Bordell.
 
Ja, es ist ein raues Pflaster, auf dem wir uns befinden:
der Hafen der antiken Stadt Korinth.
Auch hier am Hafen leben Christen:
Arbeiter und Handwerker, Händler, Fischer, Seeleute, Marktfrauen,
aber auch Diebe, Bettler, Huren, Lustknaben und ehemalige Sklaven.
Sie alle treffen sich, nachdem die Sonne untergegangen ist,
das Tagwerk ein Ende hat,
in einem der nahe gelegenen Häuser,
um das Brot miteinander zu teilen,
zu beten und eine Lesung zu hören.
Oft ist es ein Brief des Apostels Paulus,
der in ihrem Gottesdienst verlesen wird.
 
Paulus ist selbst in Korinth gewesen,
hat eine Zeit lang mit ihnen gewohnt.
Als Tuch- und Zeltmacher, – was sein Beruf ist, –
hat er am Hafen schnell Arbeit gefunden,
hat Löcher in alten Segeln gestopft und neue Segel genäht.
In Korinth hat er ihnen von Jesus Christus erzählt,
hat die Gemeinde gegründet.
 
Nachdem er weitergereist ist, hat er ihnen geschrieben.
Und sie schrieben ihm. So hielten sie Kontakt.
Oft erzählten sie ihm in ihren Briefen von Sorgen und Nöten.
Auch von Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde erzählten sie ihm.
Und er antwortete ihnen,
riet ihnen, wie sich ein Christ in diesem oder jenem Fall verhielt.
 
Auch an diesem Abend,
als das Treiben am Hafen langsam zur Ruhe kommt:
das IA der Lastesel und Maultiere vor den Wagen,
das Kreischen der Möwen, Feilschen der Händler,
Brüllen der Aufseher.
Auch an diesem Abend treffen sie sich in einem Haus:
Handwerker, Händler, Seeleute,  Marktfrauen,
Diebe, Huren, Lustknaben, ehemalige Sklaven.
Und sie hören, wie der Vorsteher der Gemeinde
aus einem neuen Brief des Apostels vorliest.
Es ist der Abschnitt, der unser heutiger Predigttext ist.
Wir finden diesen Text unter dem, was wir als 1. Brief an die Korinther kennen, Kap. 6.
Darin schreibt Paulus ihnen – und uns:
 
Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener noch Ehebrecher noch Lustknaben noch Knabenschänder
noch Diebe noch Habgierige noch Trunkenbolde noch Lästerer noch Räuber werden das Reich Gottes ererben.
Und solche sind einige von euch gewesen.
Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt,
ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das andere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern
dem Herrn, und der Herr dem Leibe.
Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. – Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, sind außerhalb
seines Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe. Gott, segne an uns dein Wort.
 
Liebe Gemeinde,
was ist Ihnen Ihr Körper wert?
Wie wichtig nehmen Sie ihn?
 
Ich glaube, die Spannbreite,
wie wichtig einer seinen Körper nimmt,
ist in unserer Gesellschaft noch nie so groß gewesen – wie heute.
Da gibt es Körperkult und Fitnesstraining,
den Besuch von Wellness-Anlagen, Sportstudios, Kosmetiktempeln.
Es gibt den Drang, gesund zu leben;
sich mit Produkten aus der Region und fair gehandelter Ware
vegan, vegetarisch, ökologisch, biologisch verantwortlich zu ernähren.
Es gibt auch den Wahn, manchem Schönheitsideal zu unterliegen,
die Traumfigur auf Kleidergröße 34 runter zu hungern,
mit Aufbaugetränken Muskelmasse zu erhöhen,
die für uns peinlichen Stellen unseres Körpers chirurgisch nachbessern zu lassen,
nahtlos braun zu werden,
den Körper von oben bis unten mit bunten Tattoos zu übersäen.
 
Und es gibt die andere Seite, wenn Menschen
unachtsam und nachlässig mit sich selbst umgehen:
sich selten waschen und noch weniger duschen,
hochkalorisches Essen ohne Maß und Ziel zu sich nehmen,
Alkohol, Drogen, Zigaretten, Medikamente in Massen konsumieren;
wenn Menschen Sex haben ohne zu verhüten,
sich und andere mit der schnellen Nummer gefährden.
Es gibt Leute, die Pornos drehen,
und solche, die sie kaufen und ansehen,
Prostitution, Menschenhandel, Missbrauch und Kinderschändung.
 
Vieles davon wird uns nicht tangieren.
Das kennen wir allenfalls aus dem Fernsehen.
Manches davon aber leben wir.
Bei vielen hierzulande, leider auch bei den Jüngeren,
ist Komma-Saufen in.
Auf Malle kann man's erleben,
aber auch auf Volksfesten, Geburtstagspartys
oder dem Public-Viewing der Fußball-WM.
Viele riskieren wieder, sich durch ungeschützten Sex mit HIV zu infizieren.
Die Zahl der HIV-Infizierten steigt wieder an.
Was in den 1990-er Jahren durch Aufklärungskampagnen selbstverständlich war,
muss heute neu erklärt werden und ins Bewusstsein der Menschen dringen.
 
Und noch etwas kennen wir, womit Menschen sich nichts Gutes zufügen:
Wir kennen das, wenn ohne Unterlass viel zu oft viel zu lange gearbeitet wird,
wenn Menschen sich keine Auszeit gönnen,
sich psychisch und körperlich ausbrennen.
Burnout nennen wir das.
Bei kaum einer anderen Krankheit merken wir,
wie Leib und Seele aufeinander bezogen sind,
dass sie voneinander abhängen.
 
Mens sana in corpore sano.
Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper.
So der lateinische Dichter Juvenal.
Im Zusammenhang seines Satire-Gedichts,
das er auf die römische Gesellschaft schrieb, meint er:
Das einzige, worum ein Mensch beten soll,
ist körperliche und geistige Gesundheit.
Denn beides wichtig ist für das Wohlbefinden.
Nicht immer bekommen wir beides geschenkt.
 
Es gibt Menschen,
die an einer Krankheit leiden, die ihnen genetisch
oder von außen durch andere auferlegt worden ist.
Krankheit kann die Seele belasten.
Wie viele tragen an einer Erkrankung schwer.
Aber nicht nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.
Denn eines merken wir – früher oder später – alle:
Der Geist wird schwächer, der Körper verfällt.
Das Alter macht uns zu schaffen.
Wie gehen wir damit um?
Wie reagieren wir auf das Altern?
Und wie geht eine Gesellschaft damit um,
die immer jung, dynamisch, hip sein will?
 
Einige von uns reagieren gefasst und gelassen,
nehmen die Erscheinung des Alters mit Würde hin.
Da gibt es Sprichwörter, die ich manchmal von denen höre,
Weisheiten wie diese:
„Jung sterben wollten wir nicht; also werden wir alt.“
Aber ich höre auch jene, die sagen:
„Alt werden ist schön, aber alt sein nicht.“
Ja, es ist eine Last und eine Kunst, das Alter zu tragen,
auch seine positiven Seiten zu sehen:
die Würde, Weisheit, Gelassenheit, Erfahrung.
Es ist eine Last und eine Kunst, Zeichen des Alters im Spiegel zu besehen.
Was machen wir, wenn wir an unserem Körper entdecken, dass wir altern?
Ein paar Tricks kennen wir und wenden sie an:
Rouge auf die Wangen, Tönung ins Haar,
sich gut anziehen, Geist und Körper pflegen,
Interesse zeigen für Neues und Aktuelles in dieser Zeit
und offen sein für die Begegnung mit anderen.
All das tun wir und können wir auch im Alter.
Viele machen das. Und das ist gut.
Denn Paulus hat in seinem Brief an die Korinther
etwas sehr Schönes und Körper Freundliches geschrieben.
Wissen Sie noch, was er geschrieben hat?
Paulus meint: „Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes.“
Das bedeutet, dass Gott in jedem und jeder von uns wohnt.
In jeder und jedem ist Gott präsent,
sichtbar und spürbar in und durch unseren Körper.
Daraus folgt, dass unser Körper heilig ist.
Und es ist wichtig, darauf zu achten, was wir damit tun.
Nicht alles, was wir machen, ist gut.
Welcher Verletzung, welcher Belastung und Gefahr,
welcher Schändung setzen wir uns manchmal aus?
 
Paulus weiß: Es gibt Menschen, – nicht nur in Korinth, – die leben nach dem Motto: Alles ist erlaubt.
Ich bin frei; also darf ich alles tun.
Ich kann tun und lassen, was ich will.
Spaßgesellschaft, „Nach-mir-die-Sintflut“, Party-Time.
Wir kennen diese Einstellung auch von Menschen unserer Zeit.
Und Paulus erwidert darauf: Ja und Nein.
„Ja, alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
Ja, alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht über mich haben.“
 
Liebe Gemeinde,
was ist es, das Macht über uns hat?
Was schränkt uns ein, macht uns in unserem Leben unfrei?
Paulus sieht eine Macht seiner Zeit
in der uneingeschränkten sehr freizügigen Sexualität.
In Korinth hat er sie erlebt und gesehen:
Frauen und Jungen, die ihren Körper verkaufen.
Da gibt es ehemalige Sklaven, die ihre Freiheit so verstehen, dass sie alles tun dürfen,
grobschlächtige Menschen am Hafen,
raue Gesellen, Handwerker und Seeleute,
die nicht gerade zimperlich mit Frauen und Kindern umgehen.
Paulus kennt auch die Freiheit und ungebremste Freizügigkeit der vornehmen Römer,
die sich Knaben, Mädchen und Geliebte halten und damit die Ehe brechen.
Er kennt sogar die vom Staat legitimierte Tempelprostitution,
die an vielen Heiligtümern im Mittelmeerraum
praktiziert wurde:
im Isiskult und in Venustempeln zum Beispiel.
 
Paulus, – der Christ, – lehnt sie ab:
Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nichts soll über uns Macht haben.
Streng genommen fordert er, den Sexualtrieb einzuschränken,
ihn unter Kontrolle zu bringen.
„Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber
Gott wird das eine wie das andere zunichte machen. –  Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe.“
 
Will sagen: Mensch, du gehörst dir nicht.
Du hast dich nicht selbst geschaffen, gabst dir nicht das Leben.
Dieses Leben hat dir Gott geschenkt, das verdankst du ihm.
Also lebe so, dass Gott durch dich sichtbar wird.
Mach Gott spürbar und sichtbar in deinem Leben.
Tu Gutes und mach, was Gott gefällt.
Verhalte dich freundlich zu dir, deinem Körper, deinem Geist, deiner Seele.
Sei gut zu dir und auch zu denen, die neben dir sind.
Behandle sie so, wie du selbst behandelt werden willst.
Wie du willst, dass sie mit dir umgehen, so verhalte dich ihnen gegenüber.
Und achte darauf, so zu leben, dass Gott sich über dich freuen wird.
Dann lobst du Gott mit deinem ganzen Körper.
„Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe, der in euch ist und den ihr von Gott habt, weil ihr nicht euch selbst gehört.
Denn ihr seid teuer erkauft (mit dem Blut Jesu Christi).
Darum preist Gott mit eurem Leibe.“
 
Liebe Gemeinde,
ich kann Ihnen heute –
und das passiert bei den Predigttexten, die wir haben,
oft selten genug, –
nichts Schöneres und nichts Körper Freundlicheres
sagen und mitgeben auf Ihren Weg als dieses:
dass in Ihnen Gott wohnt, in Ihrem Körper so wie er ist.
So wie wir sind, sind wir von Gott gewollt, geschaffen, bejaht, geliebt.
Wir loben Gott mit unserem Körper.
Seien wir deshalb gut zu ihm!
Achten wir auf uns und darauf, wie wir mit uns umgehen.
Achten wir darauf, auch wie unser Körper sich anderen gegenüber verhält.
Auch sie sind Gottes Tempel.
Pflegen wir uns!
Pflegen wir uns auch spirituell!
Schauen Sie heute mal bewusst in den Spiegel
und sagen Sie zu sich selbst: „Du bist Gottes Tempel.
Mit deinem Körper lobst du ihn.“
Ich bin gespannt, was Ihr Körper Ihnen zuflüstern wird.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.