Beim Gemeindeausflug stand dieses Jahr eine Frau im Zentrum des Interesses, deren Lebensstationen während des Gemeindeausflugs erkundet wurden: Hildegard von Bingen.

Statue Hildegard von Bingen

Das Foto zeigt eine Statue Hildegards. Diese steht vor der ev. Kirche in Bermersheim. Es heißt, dass Hildegard in dieser Kirche getauft worden ist. Es könnte aber auch sein, dass ihre Taufe in Albig war, weil damals dort die wichtigste Kirche im Umkreis war und Hildegard als das zehnte Kind ihrer Eltern Gott geweiht worden ist, es also eine besondere Taufe war. Foto von Klaus Bergunde

Erstmals fand die Fahrt in Kooperation der Pfarreien Kettenheim und Albig statt. Albig war die erste Station der Reise, wo die Teilnehmer aus dem Kettenheimer Grund von Heimersheimer und Albiger Gemeindegliedern in deren Gemeindehaus willkommen geheißen wurden. Nach einem Frühstück gab ein Dokumentarfilm erste Informationen über das Leben der rheinhessischen Nonne, die im Jahr 1098 in Bermersheim geboren worden war als Tochter des Edelfreien Hildebert und seiner Frau Mechthild.

In Bermersheim war der Stamm- und Herrschaftssitz der Adelsfamilie, der Hildegard entstammte. Manche behaupten dennoch, dass Hildegard an einem anderen Ort geboren worden ist. Heute deutet nichts in Bermersheim darauf hin, dass hier der Hof eines vornehmen Adelsgeschlechts war, von dem in der Vita Hildegards jedoch geschrieben wird, dass es durch „hohen Adel und überfließenden Reichtum“, „durch erleuchten Ruf und Namen“ ausgezeichnet war.

Kirche Bermersheim

Auch, wenn Geburts- und Taufort umstritten sind, die Reisegruppe machte in Bermersheim Halt, um dort die Kirche zu besichtigen. Foto von Anja Krollmann

Als Hildegard acht Jahre alt war, kam sie zu Verwandten auf Burg Sponheim bei Bad-Kreuznach, da sie, wie zu ihrer Zeit üblich, als das zehnte Kind seiner Eltern für ein religiöses Leben im Kloster bestimmt worden ist. Auf Burg Sponheim wurde sie mit ihrer sechs Jahre älteren Cousine, der Gräfin Jutta von Sponheim, in die Erziehung der Witwe Uda von Göllheim gegeben. Später wurde Jutta Hildegards Mentorin. Ihr folgte Hildegard auf den Disibodenberg. Auf diesem Berg, der in der Nähe des Städtchens Odernheim am Glan liegt, war ein Benediktinerkloster, dem eine Frauenklause angeschlossen war. Am 1. November 1112 wurde Hildegard zusammen mit Jutta und einer weiteren jungen Frau in der Klause des Klosters eingesperrt. Die Klause, in der sie lebten, das so genannte Inklusorium, hatte nur ein Fenster als Verbindung zur Außenwelt. Hier verbrachte Hildegard ihre Jugendjahre.

Sektempfang

Am Fuß des Disbodenbergs wurde die Reisegruppe von Frau Ackermann, einer Weinbotschafterin der Nahe, mit Sekt willkommen geheißen. Nach dem Umtrunk informierte sie über die Entstehung des Klosters Disibodenberg. Foto von Anja Krollmann

Der Disibodenberg am Zusammenfluß von Nahe und Glan war spätestens seit dem 7. Jh. ein Mittelpunkt christlichen Lebens, vermutlich auch ein Heiligtum in vorchristlicher Zeit. Die auf dem Berg errichtete Taufkirche wurde zum Ausgangspunkt der Missionierung des Naheraums. Mit anderen, meist aus Irland stammenden Mönchen kam auch Disibod an den Glan. Er errichtete auf dem später nach ihm benannten Berg eine Zelle. Durch ihn entstand später ein Kloster auf dem Berg. Um die Jahrtausendwende gründete Erzbischof Willigis von Mainz neben der Taufkirche ein Kanonikerstift, das die umliegenden Dörfer seelsorgerlich betreute.

Aufstieg Kloster-Überreste

Steil geht es den Berg hinauf zu den Überresten des Kloster und der daran angeschlossenen Frauenklause. Auch die Teilnehmer der Gemeindefahrt nahmen den schweren Aufstieg in Kauf, um eine der wichtigsten Stationen im Leben Hildegards zu sehen. Foto von Klaus Bergunde

Auf den Disibodenberg zog Jutta von Sponheim im Alter von 20 Jahren. Die junge Hildegard folgte ihr. Sie wurde mit zwei weiteren Gefährtinnen Jutta zur Erziehung anvertraut. Eine bislang unbekannte Lebensbeschreibung der später als Selige verehrten Jutta lässt Rückschlüsse auf die Spiritualität zu, durch die Hildegard in ihrer Jugend geprägt wurde. Neben dieser geistlichen Prägung muss Hildegard ebenso eine umfassende und vielseitige geistige Bildung erhalten haben. Benediktinerklöster der damaligen Zeit waren Hochburgen der Kunst und Wissenschaft.

Ruinen

Wenngleich der Besucher des Disibodenbergs nur Ruinen als Zeugen einer großen und geistlich bedeutenden Vergangenheit vorfindet, die mystische Atmosphäre lässt sich erspüren. In dieser von Natur und Religion geprägten Gegend, hat Hildegard die meiste Zeit gelebt. Foto von Sigrid Holzbrecher

In den Jahren zwischen 1112 und 1115 hatte die junge Adelige sich endgültig für das klösterliche Leben entschieden. Sie legte das benediktinische Gelübde ab. 1136 starb Jutta, die Meisterin der Frauenklause auf dem Disibodenberg. "Einmütig", so ist in der Vita Hildegards überliefert, wurde sie von ihren zehn Mitschwestern zur Nachfolgerin gewählt.

Das Jahr 1141 brachte in das Leben der neuen Meisterin vom Disibodenberg einen tief greifenden Einschnitt. Als sie „42 Jahre und sieben Monate alt war“, wie sie selbst genau vermerkt, erlebte sie in vollem Umfang den Durchbruch dessen, was sie ihre „Schau“ nannte. Schon von früher Kindheit an war Hildegard mit einer außergewöhnlichen Intuition begabt. Nun wurde sie „vom Feuer des göttlichen Geistes ergriffen“, und in diesem Licht erblickte sie das "Lebendige Licht". Nicht mit äußeren Augen und äußeren Ohren, sondern allein in ihrem Innern sah und hörte sie, wachen Geistes, mit offenen leiblichen Augen und außerhalb jeglicher Ekstase, was Gott ihr zeigte. Diese Art Schau stellt sie in eine Reihe mit den alttestamentlichen Propheten, und wie die Propheten erhielt auch Hildegard den Auftrag: „Schreibe, was du siehst und hörst.“

Nur mit Widerstreben folgte die Nonne der Weisung und begann 1141 auf dem Disibodenberg mit der Niederschrift ihres ersten theologisch-visionären Werkes "Scivias", das sie 1151 beendete. In den Zweifeln, die sie immer wieder während ihrer Arbeit befielen, wandte sie sich Rat suchend an Abt Bernhard von Clairvaux. Auf der Synode zu Trier 1147/48 setzte er sich vor Papst Eugen 111. für Hildegard und ihre Visionsschriften ein, so dass dieser sie als Seherin bestätigte. Später wurde ihr der Titel "Prophetissa Teutonica" verliehen. Vom "Glanz" dieser päpstlichen Anerkennung profitierte auch der Mönchskonvent auf dem Disibodenberg. Deshalb wollte man sie auch als Attraktion innerhalb der Mauern des Konvents behalten.

In dieser Zeit bahnte sich denn auch die Abtrennung der Frauengemeinschaft vom Mönchskloster an. 1147 fasste Hildegard den Entschluss, den Disibodenberg mit ihren Schwestern zu verlassen. Die Klause war für die Gemeinschaft zu klein geworden. Der ständige Zwist mit dem Abt des Männerklosters, Kuno, wird ebenfalls ein Grund für die geplante Aussiedelung gewesen sein. In einer Schau wurde Hildegard der neue Platz ihres Klosters angezeigt. Es sollte auf dem Rupertsberg bei Bingen entstehen. Da, wo die Nahe in den Rhein fließt, hatte einst der heilige Rupert als Einsiedler gelebt. Dort verliefen wichtige Handelsstraßen, war man dem Weltgeschehen näher. Zwischen 1147 und 1151 fand die Übersiedlung des Frauenkonvents auf den Rupertsberg statt. Die Weihe der Kirche und des Klosters war im Jahr 1152.

Von Kloster und Kirche auf dem Rupertsberg ist heute nichts mehr erhalten. Die Gruppe besuchte den nahe gelegenen Rochusberg und das dort befindliche Hildegardforum, in dem sie auch zu Mittag essen konnte. Nach dem Essen stand eine Führung durch die Rochuskapelle auf dem Programm. In der Kapelle ist ein Flügelaltar mit Schnitzereien aus dem Leben Hildegards. Dort wird auch ein Schlüsselbein von ihr aufbewahrt.

Rochuskapelle

In der Rochuskapelle, die nach einem Brand im Jahr 1895 wieder errichtet wurde, war ein aufwendiger Hildegard- und Rupertusaltar geplant, doch nur der Hildegardalter ist fertig gestellt worden. Im Zentrum des Altars befindet sich eine Halbreliefstatue der Heiligen. Darum herum sind Stationen aus dem Leben Hildegards. Foto von Klaus Bergunde

Eine weitere Führung fand im Kräutergarten des Hildegardforums statt, der nach den Vorgaben der Äbtissin angelegt wurde. In ihrer Naturheilkunde "Physica" nennt Hildegard 513 Pflanzen, Tiere, Elemente, Steine und Metalle. 293 Pflanzen und deren Wirkungen auf Menschen bespricht sie im Detail, darunter die verschiedenen Getreidearten, die Gemüse, Gewürze, die vielen Wurzeln und Kräuter. In ihrer Naturkunde beschreibt sie die Schöpfungswirklichkeit in ihrer Heilkraft für den Menschen. Das Grundmotiv ihrer Heilkunde ist, den Menschen gesund und heil zu machen. Alle Heilmittel versteht sie daher als Wege zum Heil.

Kräutergarten

Bei der Führung durch den Kräutergarten vermittelte Herr Strickerschmidt der Gruppe wichtige Kenntnisse über die Heilwirkungen verschiedener Kräuter. Unter anderen lehrte er, dass ein gerolltes Salbeiblatt – bei Erkältung in die Nase gesteckt – die Atemwege frei macht wegen der im Salbei befindlichen durch das Einatmen aufgenommenen ätherischen Öle. Foto von Klaus Bergunde

Die letzte Station auf den Spuren Hildegards war Kloster Eibingen im Rheingau. Mit der Fähre ging es über den Rhein zur zweiten Klostergründung Hildegards. Dieses ist noch gut erhalten. Vor Hildegards Gründung hatte die Adelige Marka von Rüdesheim bereits im Jahr 1148 in Eibingen ein Augustiner-Doppelkloster gestiftet, das schon 1165 verwaist war. Das Anwachsen des Rupertsberger Konvents veranlasste Hildegard dazu, die beschädigten Gebäude Eibingens zu erwerben. Nach deren Sanierung zogen 30 Benediktinerinnen dort ein. Zweimal in der Woche fuhr die Äbtissin vom Rupertsberg aus über den Rhein zu ihrer neuen Klostergemeinschaft. Am 22. April 1219, rund vier Jahrzehnte nach Hildegards Tod, unterstellte Papst Honorius III. das Kloster seinem Schutz.

1632, zerstörten die Schweden durch Brand das Kloster Rupertsberg. Die Nonnen kamen mit den Hildegard-Reliquien 1636 über Köln zum Kloster Eibingen. Unter Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal sollte aus Eibingen ein weltliches Damenstift werden. Diese Absicht löste bei den Nonnen heftigen Widerspruch aus. 1789, im Jahr des Ausbruchs der Französischen Revolution, brachten sie das Klosterarchiv vorsorglich nach Alzey, wo es bis 1798 blieb. Der Verlust der Güter links des Rheines beeinträchtigte die wirtschaftliche Lage des Kovents. Zudem hatte der Zeitgeist das klösterliche Leben ausgehöhlt. 1802 wurde das Kloster aufgehoben, 1814 auf Beschluss der nassauischen Regierung geräumt. Den Ostflügel verwandelte die Behörde in ein Zeughaus, die Kirche in ein Waffenlager. 1831 kaufte die Gemeinde Eibingen das Anwesen und wandelte die Klosterkirche zur Pfarrkirche um.

Nach dem Untergang des Klosters Eibingen 1814 übernahm die Rochusberger Bruderschaft die gesamte Inneneinrichtung der Klosterkirche, auch den Reliquienschatz mit den Gebeinen des ehemaligen Rupertsberger Klosterheiligen St. Rupertus. Dadurch wurde die Rochuskapelle zur Heimat der wichtigsten authentischen Spur der Hildegardzeit und der gesamten klösterlichen Tradition auf dem Rupertsberg und in Eibingen. Die Gebeine Hildegards kamen in die Dorfkirche zu Eibingen. Dort werden sie in einem goldenen Schrein aufbewahrt und einmal im Jahr in einer Prozession durch den Ort getragen.

Eibingen

In Eibingen nahmen die Reisenden am Abendgebet der Klostergemeinschaft teil, das vor allem aus lateinischen Gesängen besteht. Hildegard selbst komponierte 77 Hymnen, Antiphonen und Lieder sowie das Singspiel "Ordo virtutum". Foto von Klaus Bergunde

Den Abschluss der Fahrt machte die Gruppe in einer Straußwirtschaft in Erbach, wo sie zu Abend aß. Obwohl nicht alle Orte, an denen Hildegard gewirkt hat, besichtig werden konnten, war es ein voller und eindrucksreicher Tag. Den Reisenden haben die Informationen über Hildegard und das Entdecken einiger ihrer wichtigsten Wirkungsstätten Anregungen gegeben, den Spuren dieser Ordensfrau weiter zu folgen. Von der katholischen Kirche wurde sie nie heilig gesprochen, dennoch wird sie im Volk als Heilige verehrt und geachtet. Nicht nur wegen ihres Wissens über Steine-, Kräuter- und Naturheilkunde oder ihrer Visionen, auch als eigenständig denkende und lebende Frau, die auf die Mächtigen ihrer Zeit Einfluss hatte, wirkt sie bis heute als beeindruckendes Vorbild. A. K.