Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Brüder und Schwestern,

der Übergang vom alten ins neue Jahr
ist nur ein kleiner Schritt,

ein Sprung des Sekundenzeigers
von der einen zur nächsten Stelle.

Und doch ist für viele der Wechsel des Kalenderjahres ein besonderer Augenblick;

wir merken, wie schnell das Jahr vergangen ist,
Zeit fliegt;

wir nehmen Abschied von dem, was war.

Manches, von dem wir Abschied nehmen müssen, möchten wir behalten,
das lassen wir nicht gerne los;
manches wurde es uns dennoch genommen:

eine Beziehung, eine Arbeitsstelle,
einen Menschen, der verstorben ist.

Leben ist vergänglich –
das erleben wir auch am Jahresende.

Leben verändert sich –
das zu spüren, kann wehtun oder wehmütig machen.

Viele nehmen diesen Schritt vom alten ins neue Jahr
nicht so leicht,

sie bewegen sich nicht einfach weiter,

nicht so wie der Sekundenzeiger der Uhr
von der einen zur nächsten Stelle.

Sich von bestimmten Situationen zu verabschieden, kann schwer fallen.
Manches loszulassen, kostet Kraft.

Anderes möchten wir hingegen gerne loswerden.

Mit dem neuen Jahr beginnt auch eine neue Chance,
etwas anders zu machen,

einen Schlussstrich zu ziehen,
neu anzufangen oder anders zu leben.

Manches Loslassen gelingt –
da können wir erleichtert aufatmen.

Anderes tragen wir weiter mit uns herum.

Eines, das wir auf jeden Fall mit uns herumtragen,
das wir mitnehmen vom alten ins neue Jahr,
ganz gleich wo wir sind,

das sind wir selbst:

Wir mit unseren Fähigkeiten und Schwächen,
unseren Eigenheiten,

unserer Freiheit, Fehler zu machen.

Uns können wir nicht ablegen,
wie die Kleider oder die Uhr.

Uns können wir nicht einfach verändern.

Wer das versucht, der weiß:
Sich zu verändern, braucht Zeit und kostet Kraft.

Es braucht aber auch Kraft,
sich so sein zu lassen wie wir sind

mit unseren Fähigkeiten und Schwächen,
unseren Eigenheiten,

unserer Freiheit, Fehler zu machen.

Uns selbst zu akzeptieren,
das ist vielleicht sogar die größere Leistung.

Vielleicht haben wir für 2010
manch guten Vorsatz gefasst:

mehr Zeit für sich, für die Familie,
mehr Gleichmut, Freude am Leben,

weniger Ärger, weniger Stress,
mehr Engagement und Kreativität,

mehr Zeit für unseren Glauben,
unsere Beziehung zu Gott.

Dazu braucht es Mut und Geduld,

vor allem, wenn wir alte Gewohnheiten ablegen,
Leben verändern,
Änderungen zulassen werden.

Mit unterschiedlichen Gefühlen
leben Menschen in das kommende Jahr
und verabschieden sich von dem alten.

Gerade in der Nacht des zu Ende gehenden Jahres
ziehen viele für sich Bilanz:

Was war gut, was war schlecht?
Wo sind Dinge gelungen, wo lief was schief?

Was möchte ich anders machen –
wenn es noch eine Gelegenheit dazu gibt?

Und dann richtet sich der Blick nach vorne,
auf das, was kommt.

Einiges davon können wir wissen oder planen,
manche haben schon ihre ersten Termine
im neuen Kalender gesetzt.

Anderes aber liegt im Dunkeln.
Das können wir weder beeinflussen noch planen.

So manche Situation werden wir hinnehmen müssen wie im vergangenen Jahr.

So ein Gedanke nach vorne ist für mich
wie der Blick in eine Sylvesternacht:

wenn das Feuerwerk zu Ende geht,
die letzten Böller knallen,

der Rauch der Feuerwerkskörper  
den Himmel vernebelt,

Lichter verschleiert,
ein Dunst sich über das Tal legt,

so nehmen wir das kommende Jahr
verschwommen wahr.

Gutes erhoffend, Schlechtes befürchtend,
vor dem, was kommen kann,
ein bisschen bange.

Gut, wenn wir nicht immer wissen,
was kommen kann.

Schlecht, wenn wir uns von der Furcht
vor dem was kommen kann,

in unserem Denken und Handeln lähmen,
in unserem Dasein verunsichern lassen.

Unsicherheit ist kein schönes Gefühl.

Vielleicht erinnern sie sich daran,
wie das war,

wenn Sie wie ich als Kind
auf eine Mauer geklettert sind,
um darauf zu balancieren,

da war es sehr hilfreich zu spüren,
dass eine Hand uns hält,

vielleicht die Hand von Mama oder Papa.

Oft hat es schon gereicht zu spüren,
dass da eine Hand ist,

offen für uns,
bereit, uns aufzufangen,

schnell zuzupacken,
damit wir nicht fallen,

eine Hand,
die allein durch ihre Präsens uns sicher gemacht hat,

durch deren bloße Anwesenheit wir mutiger wurden,
nach vorne zu gehen,

der wir vertraut haben,
uns anvertraut.

Da haben wir Sicherheit gespürt,
Vertrauen gelebt.

So eine Sicherheit gibt Gott uns heute wieder,
eine Hand, die uns hält,
die unsichtbar, einladend, offen,
für uns da ist.

Der Predigttext dieses Abends
erinnert uns an diese Hand,

er will uns einladen,
uns dahin bringen,

dass wir von der Unbekümmertheit des Lebens,
der Leichtigkeit des Seins
wieder ein Stück zurückgewinnen.

So schreibt der Apostel Paulus in seinem Römerbrief:

„Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?
Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben –
wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? …
Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist,
unserm Herrn.“

Liebe Gemeinde,
„ich bin gewiss“, schreibt Paulus.

Und es klingt so überzeugend,
wie er es schreibt,

dass seine Gewissheit sicher noch für die reicht,
die nicht glauben,
die zögern oder ängstlich sind oder zweifeln:

„Ich bin gewiss“, schreibt Paulus,
und er schreibt weiter:
„dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes“.

Liebe Brüder und Schwestern,

vieles, was uns von Gott zu trennen versucht,
haben wir erlebt in diesem Jahr –
selbst oder durch andere:

den Tod eines Menschen,
den Verlust eines Arbeitsplatzes,

das Auseinanderbrechen von Freundschaften,
Mobbing durch Kollegen,

Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen.

Oft sind es ja solche Erlebnisse,
die uns in Zweifel bringen,

Ereignisse, die wir als Mächte empfinden,
die so gewaltig für uns sind,

Schicksalsschläge,
die Macht ausüben auf uns und unser Leben,

die unseren Glauben gefährden,
unser Vertrauen in Gott:

Diesen Mächten, denen wir manchmal ausgesetzt sind,
stellt Gott seine Liebe entgegen:

„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur
uns scheiden kann von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“

Liebe Gemeinde,
Gottes Liebe zu uns ist wie eine unsichtbare Hand.

Unabhängig davon,
was wir tun oder lassen,

was wir verändern
oder nicht ändern können oder möchten,

Gottes Hand zu uns ist sie offen,

sie bleibt für uns da,
einladend, liebevoll, zu uns hin ausgestreckt.

Ich wünsche Ihnen,
im Vertrauen auf diese Hand Mut und Sicherheit,

damit sie leichteren Schritts
vom alten ins neue Jahr gehen können.

Gott hält uns und hält zu uns,
damit wir zu Gott in Beziehung bleiben,

gehalten von seiner Hand,
die Gottes Liebe zu uns ist,

die in keiner anderen Macht gründet
als in Gott selbst.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.